zum Hauptinhalt
Wassertreten. Beim Amateurradrennen Velothon mit internationaler Beteiligung gab es schon besseres Wetter. Aber was soll's.

© Ottmar Winter

Velothon-Radrennen in Berlin: Das große Bibbern

Beim Velothon in Berlin radelten 8000 Leichtbekleidete durch den strömenden Regen. Von der Umgebung sahen sie nicht viel: Bei Rennrädern ohne Schutzblech spritzt es besonders schön. Aber dennoch waren alle glücklich.

Nur selten sind in Berlin so viele durchtrainierte Sportler zu sehen wie am Sonntag: bestens durchtrainiert und ausgerüstet – doch viele zitterten wie Espenlaub. Rund 8300 Amateurfahrer absolvierten beim 7. Velothon je nach Wahl die 60 Kilometer durch Berlin oder die 120-Kilometer-Strecke vom Potsdamer Platz aus gen Süden bis nach Ludwigsfelde und zurück ans Brandenburger Tor. 7600 kamen im Ziel an. Während andere sich noch mal die Bettdecke über die Ohren zogen, ging es für sie bei zehn Grad Kälte und Regen auf die Strecke. Warum nur?

Antworten gab es beim Zieleinlauf, auf der Straße des 17. Juni. Die aerodynamischen Rennmaschinen ringsherum dürften etwa ein Drittel eines durchschnittlichen Damenrades wiegen. Timo Dillenberger ist gerade abgestiegen, auch so ein Kraftpaket, das gut gelaunt am ganzen Körper schlottert. „Wir Radfahrer sind deutlich leidensfähiger als Fußballer“, sagt der 36-Jährige grienend und denkt wohl ans DFB-Pokalfinale. Auf der Strecke habe er einige Männer gesehen, die nach Stürzen über den Asphalt deutlich lädiert waren. „Aber so lange kein Knochen gebrochen ist, den man zum Treten braucht, geht es eben weiter.“

Die Landschaft findet der Kölner zwar bei Rennen wie im Bergischen Land attraktiver, dennoch hatte er sich mit gleich sieben Actionkameras oben, unten, links, rechts, vorwärts und rückwärts auf Tour begeben, der Hauptsponsor des Velothon machte es möglich. Derweil suchten die Anfeuerer in den Zelten der anderen Velothon-Unterstützer Unterschlupf – für was Sponsoren doch so alles gut sind.

Mit einer Viertelmillion Zuschauern hatten die Veranstalter gerechnet, wegen des schauerlichen Wetters waren es deutlich weniger. 2013 traten die Amateurfahrer noch bei gleißendem Sonnenschein auch auf dem Flughafen Tempelhof in die Pedale. Daran erinnerte sich Agostino Ferla noch, ein 36-jähriger gebürtiger Mailänder aus Friedrichshain. „Jetzt aber ist das Einzige, was an mir noch trocken ist, der Kopf“, sagt der Finanzbuchhalter mit dem Plastiküberzieher über dem Helm.

Am Start hatte er erst mal 20 Minuten warten müssen, „da fing das Zittern an“. Die Umgebung? „Davon habe ich nicht so viel mitbekommen, wir haben ja keine Schutzbleche, daher spritzt immer so viel Dreck hoch, ich musste mehr auf die Strecke achten.“ Aber all die gesperrten Straßen für sich zu haben, im Team, das sei schon ein tolles Gefühl. Knapp dreieinhalb Stunden hat er vor allem ans Ankommen gedacht. 65 Euro Startgebühr, wenigstens die sollten nicht ins Wasser fallen. Aber 3700 andere Fahrer traten erst gar nicht an. Ferla aber wollte nach dem Duschen gleich „Giro d’Italia gucken“. Schlimme Stürze hat er nicht gesehen. Wohl aber die Feuerwehr, die an der Flughafenstraße in Neukölln zu einem 78-Jährigen kam, mit dem ein 70-jähriger Radler kollidiert war. Insgesamt gab es 19 Krankentransporte, 51 Hilfeleistungen auch wegen Unterkühlung, die Radler fuhren aber besonnener als sonst.

Am Sonnabend hatte es das erste Berliner „World Klapp“-Radrennen mit lautem Soul und Disco-Kostümen gegeben. „Ohne Bart kein Start“, lautete das Motto auf der Straße des 17. Juni, und 128 Männer und Frauen strampelten in Dirndl und mit Perücke. Am Sonntag wrangen die Rennradler ihre patschnassen Handschuhe im Zieleinlauf aus. Geschafft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false