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Berlin: Verbrechen ist ein Teil des Lebens

Mord überschattete Gottesdienst in der Kreuzkirche in Schmargendorf

„Endlich erwachsen“, jubelte gestern Mittag am Hohenzollerndamm ein langer Schlaks. Der junge Mann gehörte zu den achtzehn Mädchen und Jungen, die in der evangelischen Kreuzkirche eingesegnet wurden und so in den Kreis der Erwachsenen aufgenommen wurden. Auf ihren ersten Konfirmationsgottesdienst 2007 hatte sich die Gemeinde mit viel Liebe und Aufwand vorbereitet. Eltern hatten Festessen für danach geplant. Paten, Verwandte und Freunde kamen mit Blumen und Geschenken. Der Kirchenchor hatte vier Stücke aus Händels „Messias“ einstudiert, und gleich zwei Pfarrer zelebrierten den Gottesdienst. All dies und mehr, um den Konfirmanden diesen 6. Mai 2007 zu einem unvergesslichen Tag werden zu lassen.

Den überschattete gestern nun das ermordete Mädchen. Das grausige Geschehen am Vortag in der Grünanlage hinter ihrer Kirche beschäftigte vor dem Gottesdienst die in Grüppchen stehenden Besucher ebenso wie die sich im Kirchenhof zum Konfirmationsgruppenbild formierenden Jugendlichen. Allgemeiner Tenor: „Ein Mord unter uns – unfassbar!“

Das namensgebende Kreuz der Kirche stehe als Symbol des Leidens auch für den Tod des jungen Mädchens, sagte Pfarrer Wolfgang Wagner zur Begrüßung seiner Gemeinde. Auch sein junger Kollege Nils-Ole Oermann ließ in seiner Predigt nicht den schrecklichen Mord vor der Kirchentür aus. Er würdigte zunächst die modisch zurechtgemachten Konfirmanden vor sich in der ersten Kirchenbankreihe und lenkte sie danach geschickt mit Bildern aus dem Alltag zur Aussage seiner Predigt: dass Konfirmation eben nicht nur mit Äußerlichkeiten zu tun habe, sondern vor allem damit, dass man als Erwachsener nun die Wahl habe. Schon die Konfirmation sei eine Wahl, entscheide man sich doch nun selbst für Gott, was zur Taufe die Eltern übernahmen.

„Gott tut uns Gutes“, sagte Oermann, „er segnet uns ein – dahinter liegt ein unbekanntes Land.“ Das Leben darin könne man sich dabei nicht schönreden. Auch das unfassbare Verbrechen „mitten unter uns in Schmargendorf“ sei ein Teil unseres Lebens. „Ich weiß nicht, wie ich es hätte verhindern können, aber ich weiß, dass wir uns viel zu oft nicht mehr dafür interessieren, wie es anderen geht, oder einfach wegschauen.“ Jeder habe die Wahl – gemessen werde man am Ende an seinen Taten, nicht an seinen Worten.

Heidemarie Mazuhn

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