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Berlin: Verfahren gegen Prediger Beer eingestellt - die Vorwürfe waren nicht haltbar

Das Disziplinarverfahren gegen den Domprediger Martin Beer wird eingestellt. Das teilte die Evangelische Kirche mit.

Das Disziplinarverfahren gegen den Domprediger Martin Beer wird eingestellt. Das teilte die Evangelische Kirche mit. Beer bleibt vorerst Pfarrer in der St.-Elisabeth-Stiftung, äußerte aber den Wunsch, wieder als Gemeindepfarrer tätig zu sein. Dem will die Kirche nachkommen, sobald eine andere Stelle frei wird. Beer waren "Amtspflichtsverletzungen" vorgeworfen worden, die mit seinem "dienstlichen und außerdienstlichen Verhalten" zu tun hätten. Pfarrer Beer war nicht zu erreichen, sein Anwalt Jürgen Waldheim wollte sich nicht äußern.

Beer war im Oktober 1989 vom Domkirchenkollegium zum Dompfarrer auf Lebenszeit gewählt worden. Er hatte sich um den Wiederaufbau der früheren preußischen Hofkirche und das kirchliche Leben in der Gemeinde verdient gemacht. Im März 1998 wurde er überraschend von der Kirchenkanzlei der EKU beurlaubt. Zwei Frauen aus der Gemeinde hatten sich beim damaligen Ratsvorsitzenden der EKU, Bischof Berger von Greifswald, beschwert: Beer sei Alkoholiker und homosexuell. Zudem gab es Vorwürfe von außerhalb.

Im August 1998 schränkte der damalige Vizepräsident der Kirchenkanzlei der EKU, Rainer Bürgel, den Verdacht der Amtspflichtverletzungen auf drei Bereiche ein: Mitarbeit für die Staatssicherheit, sexueller Missbrauch und Veruntreuung. Allerdings war der EKU die angebliche Homosexualität Martin Beers schon bei seinem Dienstantritt im Oktober 1989 bekannt. Dass Beer zwischen 1981 und 1987 Gespräche mit der Stasi führte, war damals ebenfalls bekannt und spielte im Disziplinarverfahren keine Rolle. Der Kirche war sogar von Anfang an bekannt, dass die angeblichen Stasi-Kontakte keine Grundlage für dienstrechtliche Maßnahmen boten.

Was die Vorwürfe bezüglich Beers Lebensführung betrifft, stellte die Kirchenkanzlei intensive Nachforschungen an - offensichtlich bis hart an die Grenzen des guten Geschmacks. So beschwerten sich Mitarbeiter des Opern-Palais, wo Beer privat verkehrte, dass sie suggestiv befragt und sogar bedroht worden seien. Unter anderem wollten die Kirchen-Ermittler erfahren, ob Beer sich "zu fröhlich" verhalten, zuviel getrunken oder Kontakt mit "Jungs" gehabt habe. Alles vergeblich - am Ende blieb nur der "Vorwurf von außerhalb": Der Domprediger soll im Herbst 1997 einen 23-Jährigen - wesentlich größer und stärker als er selber - sexuell genötigt haben. Die Zweifel überwiegen.

Wurde der Domprediger absichtlich demontiert? Der Anwalt Friedrich Engelke, ein Freund von Beer, sagt dazu: "Es geht allein darum, seinen Posten im Dom um jeden Preis freizumachen." Ein ehemaliges Mitglied des Gemeindebeirats bestätigt: "Es gab einen Machtkampf am Dom." Beer hatte Konflikte mit Angestellten und Kollegen. Vor allem aber stand er den Bestrebungen der Kirchenkanzlei im Wege, eine neue Domkirchenordnung einzuführen, die ihre Position erheblich gestärkt hätte. Nach Tagesspiegel-Informationen legte die Kirchenkanzlei nach der Beurlaubung Beers einen weiteren Entwurf für eine neue Domordnung vor. Außerdem neideten manche Beer seine herausgehobene Stellung: Von der Grundsteinlegung für das Bundeskanzleramt bis zum Empfang für die schwedische Königin: Beer repräsentierte die Kirche.

Die Zeit hat für die EKU gearbeitet: Die Vorwürfe haben Beer zermürbt, sein Ruf ist beschädigt - in den Dom wird er aber trotz der Einstellung des Verfahrens wohl kaum zurückkehren können.

Raoul Fischer

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