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Verfassungsschutz-Chefin Schmid: "Wut der Bürger beeindruckt Linksextremisten nicht"

Die Verfassungsschutz-Chefin Claudia Schmid befürchtet nach dem Anschlag auf die Kabelbrücke der S-Bahn am Ostkreuz weitere Aktionen der autonomen Szene.

Von Frank Jansen

Berlin - Den linksextremen Anschlag auf die Kabelbrücke am Bahnhof Ostkreuz hält sie für ein Eigentor der Szene, aber weitere Aktionen dieser Art seien nicht auszuschließen. Sarkastisch fragte jetzt die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, im Gespräch mit dem Tagesspiegel, „welche extremistische Gruppe glaubt denn, wenn sie mit dem Namen ,Das Grollen des Eyjafjallajökull’ die halbe Stadt lahmlegt, dass ihre politischen Forderungen bei irgendjemandem Gehör finden?“ Das sei nicht mal in weiten Teilen der linksextremistischen Szene vermittelbar, dort werde der Anschlag auch heftig kritisiert. Dennoch glaubt Schmid nicht, dass die Wut in der Bevölkerung angesichts der enormen Ausfälle im Zugverkehr die gewaltbereiten Linken zur Besinnung bringt. „So optimistisch bin ich nicht“, sagte sie. Es gebe in der autonomen Szene Gruppen und Einzelne, „die sich auch von interner Kritik nicht beeindrucken lassen“.

Unklar bleibt allerdings, wer überhaupt hinter dem Fantasienamen „Das Grollen des Eyjafjallajökull“ steckt. „Diese Gruppe ist bislang nicht in Erscheinung getreten“, sagte Schmid, „wir wissen nicht, ob sie tatsächlich existiert“. Mit einer ähnlichen Fragestellung prüft die Bundesanwaltschaft, wie berichtet, ob sie die Ermittlungen nach dem Anschlag am Bahnhof Ostkreuz an sich ziehen soll. Die Behörde in Karlsruhe hatte hingegen rasch nach dem lebensbedrohenden Brandanschlag auf eine Polizeistation in Friedrichshain im April die Ermittlungen übernommen. Zu dem Angriff hatte sich die offenbar eindeutig zuzuordnene Formation „autonome gruppen“ bekannt, außerdem wird die Tat als versuchter Mord bewertet. Bei dem Anschlag war der Mitarbeiter einer Reinigungsfirma in Lebensgefahr geraten.

Nach Ansicht Schmids ist die stark zunehmende Autozündelei jedoch keine organisierte Kampagne der linksextremen Szene „wie in der Vergangenheit zum Beispiel die so genannten action days“. Bei den Fällen in Brand gesteckter Fahrzeuge, die weder Unternehmen noch Behörden zuzuordnen sind „und bei denen keine Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlicht werden, ist das Motiv oft nicht eindeutig feststellbar“.

Unterdessen muss sich die Polizei mit weiteren Provokationen linker und rechter Täter befassen. In der Nacht zu Donnerstag wurde ein jüdisches Bildungszentrum in Prenzlauer Berg mit einem Symbol der autonomen Szene beschmiert. Ein Wachpolizist bemerkte an einer Wand des Gebäudes der Ronald S. Lauder-Foundation ein etwa ein Meter mal ein Meter großes, eingekringeltes A. Der Buchstabe im Kreis steht in linksextremen Milieus und bei Punks für „Anarchie“. Der polizeiliche Staatsschutz übernahm die Ermittlungen und geht nun auch dem Verdacht nach, ob der Täter antisemitisch motiviert war und gezielt eine jüdische Institution beschmiert hat. Bei der Ronald S. Lauder-Foundation hieß es allerdings, die besprühte Wand sei von außen nicht als Teil einer jüdischen Institution zu erkennen. Es habe auch bislang keinen Ärger mit Autonomen oder anderen Extremisten gegeben.

Unangenehmer noch und ebenso ein Fall für den Staatsschutz sind die Schmierereien, die Montagabend auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhof entdeckt wurden. Unbekannte Täter hatten mit einem dickeren Farbstift insgesamt 41 ausländerfeindliche und antiislamische Parolen auf Sitzblöcke und Informationstafeln gemalt. Die Parolen seien primitiv und zum Teil in grotesk falschem Deutsch geschrieben, hieß es in Sicherheitskreisen. Das Wort Moslem mit „ä“ deute auf die „dumpfe Neuköllner Biernazi-Szene“ hin, sagte ein Experte. Es werde zudem geprüft, ob das Geschmiere mit der „Ausländer-raus“-Kampagne der Berliner Neonazis in Zusammenhang steht. Als einer der „Höhepunkte“ der Kampagne hatten die Autonomen Nationalisten (AN), die aggressivste Strömung im Spektrum der Neonazis, am 14. Mai den Aufmarsch in Kreuzberg veranstaltet, der in Krawall ausartete. Verfassungsschutzchefin Schmid warnte, bei den AN bestehe „eine hohe Gewaltbereitschaft, die sich situativ entladen kann“.

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