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Berlin: Verfassungsschutz erwartet auch Touristen zum Krawall Linke und Jusos unterstützen Tempelhof-Proteste

SPD-Chef Müller wirft der Parteijugend „gefährliches Spiel“ vor. CDU-Chef Henkel nennt Linke „teilweise verfassungsfeindlich“

Von
  • Sabine Beikler
  • Ulrich Zawatka-Gerlach

Krawall ist nicht auszuschließen, doch vor der angekündigten Besetzung des Flughafens Tempelhof durch die Initiative „Squat Tempelhof“ will Berlins Verfassungsschutzchefin keinesfalls Panik schüren. Die Veranstalter der Demonstration wollten keine Gewalt und seien vor allem „auf öffentliche Wirkung aus“, sagte Claudia Schmid am Freitag dem Tagesspiegel. Die überwiegende Zahl der Demonstranten werde friedlich sein, denn es gehe darum, bürgerliche Kreise anzusprechen und den Berlinern insgesamt zu zeigen, dass der stillgelegte Flughafen sinnvoll genutzt werden sollte. Allerdings sei nach Erkenntnissen ihrer Behörde zu erwarten, dass ebenfalls gewaltbereite Linksextremisten kommen, sagte Schmid. Die geplante Besetzung des Flughafengeländes sei auch für diese Szene „auf jeden Fall ein Thema“, außerdem stellten die Autonomen die Demonstration „in einen Zusammenhang mit den unfriedlichen Auftritten während der Action Weeks“.

Die Bilanz der „Action Weeks“ der linken Szene, die am 6. Juni begannen, ist nach Ansicht Schmids nicht schlimmer als das, was bereits im vergangenen Jahr veranstaltet wurde. Damals verübten mutmaßliche Linksextremisten von Ende Mai bis Anfang Juni in den „Freiräume-Aktionstagen“, die eine Woche dauerten, 77 Straftaten mit 22 Brandanschlägen. Jetzt sind es bislang 95 Straftaten mit 14 Brandanschlägen. „Das Niveau ist das gleiche“, sagte Schmid, allerdings habe die Kriminalität „in den letzten Tagen deutlich zugenommen“.

Wie schon 2008 habe die linke Szene auch diesmal nicht nur in der Bundesrepublik, sondern europaweit mobilisiert, sagte Schmid. Der Verfassungsschutz habe „einige Reisebewegungen vor allem aus dem Ausland“ registriert. Ein Experte des polizeilichen Staatsschutzes hatte am Donnerstag dem Tagesspiegel gesagt, es seien „ein paar hundert Linke aus dem In- und Ausland“ nach Berlin gekommen. Die Leiterin des Verfassungsschutzes wollte sich jedoch nicht auf konkrete Zahlen festlegen lassen, da die „Action Weeks“ erst am Wochenende enden sollen und erst danach eine abschließende Bewertung möglich sei.

Eine Prognose, wie es nach den linken Aktionswochen weitergeht, will Schmid nur mit großer Vorsicht wagen. Weitere Brandanschläge, vor allem auf Fahrzeuge, seien nicht auszuschließen, sagte sie. Vermutlich wären auch ohne die „Action Weeks“ Autos angezündet worden, entsprechende Straftaten gab es bereits seit 2007. Im Unterschied zu den „Action Weeks“ sei bei vielen Brandanschlägen auf Autos auch kaum eine politische Botschaft zu erkennen. Frank Jansen

Die Linken, die Jungsozialisten und die Grüne Jugend wollen sich an friedlichen Protesten zur Öffnung des Tempelhofer Feldes beteiligen. „Wir werden am Sonnabend vor Ort sein und die Idee der öffentlichen Zugänglichkeit des Flughafens unterstützen – allerdings ausschließlich mit legalen Mitteln“, teilte der Landeschef der Linken, Klaus Lederer, mit.

Das heißt: Die Linken klettern nicht über den Zaun, und Lederer hofft, „dass es gelingt, einzelne Verrückte von Dummheiten abzuhalten“. Er bedauere aber sehr, dass die fürs Frühjahr angekündigte Öffnung des Geländes bisher nicht zustande kam. Die Juso-Landeschefin Anne Knauf forderte den Senat auf, das Flugfeld für alle Berliner sofort zu öffnen. Im Gegensatz zu den Linken wollen sich die Jungsozialisten auch an der „temporären Besetzung“ des Areals beteiligen. „Denn hinter dem Zaun liegt ein grüner Park.“ Dafür hat SPD-Landeschef Michael Müller „überhaupt kein Verständnis“. Der Aufruf der eigenen Parteijugend sei völlig daneben. „Hier treiben einige ein gefährliches Spiel, die Grenze zwischen legitimen Aktionen und nicht hinnehmbaren Gewalttaten ist schmal“.

Auch die Grünen sind sich in ihrer Position nicht einig. Die Grüne Jugend rief zur Teilnahme an der Besetzung auf und verteidigte die Aktion als „friedlichen zivilen Ungehorsam“. Auch Christian Ströbele, Vizefraktionschef der Grünen im Bundestag, machte „keinen Hehl aus meiner Sympathie für die Besetzer des Flughafengeländes“. Er ließ aber offen, ob er über den Zaun klettern will. „Das kommt auf die Situation an.“ Dagegen empfahl Grünen-Fraktionschefin Franziska Eichstädt-Bohlig der Tempelhof-Initiative, „angesichts der aufgeheizten Stimmung in der Stadt und der zunehmenden Gewaltakte“ die Aktion zu verschieben. Das sympathische Ziel der Öffnung des Geländes werde in ein falsches Licht gerückt. Auch die Naturschutzverbände BUND und NABU lehnten eine Besetzung ab.

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann kritisierte die Teilnahme der Linken an den Protesten als „bigott und pervers“. Die Linke hätte sich koalitionsintern längst für die Öffnung des ehemaligen Flughafengeländes einsetzen können. Die Grünen brachten schon im März einen Antrag im Parlament ein, in dem die Nutzung für Sport und Freizeit gefordert wird. Der Antrag wurde im Ausschuss noch nicht beraten.

Auch für FDP-Fraktionschef Christoph Meyer ist die „Doppelzüngigkeit der Linken, im Senat den pflegeleichten Koalitionspartner zu geben, auf der Straße aber voll auf Linkspopulismus zu setzen“ offensichtlich. Regierungsparteien sollten „Politik statt Demos“ machen und nicht „wie die Linken duckmäuserisch am Kabinettstisch und demagogisch auf der Straße“ agieren. Scharf kommentierte CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel die Ankündigung der Linken. „Jeder Aufruf zur Begehung einer Straftat demaskiert diese Partei als in Teilen demokratie-und verfassungsfeindlich.“ Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verurteilte erneut „jede Form von Verständnis oder indirekte Unterstützung für Straftaten auch im Hinblick auf die angekündigte Besetzung des Flughafengeländes“. Friedliche Kundgebungen für eine Öffnung nannte er aber „völlig legitim“.

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