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Braun zieht die Konsequenzen aus der Affäre um den Verkauf von Schrottimmobilien und tritt als Senator zurück.

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Update

Verkauf von Schrottimmobilien: Wowereit: Brauns Rückzug ist "richtige Entscheidung"

Justiz- und Verbraucherschutzsenator Michael Braun tritt aufgrund der Schrottimmobilien-Affäre von seinem Amt zurück, ein Nachfolger steht noch nicht fest. Klaus Wowereit sagt, er hätte sich für Rot-Schwarz einen "anderen Start vorgestellt".

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Justizsenator Michael Braun bittet den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit um seine Entlassung - und zieht damit die Konsequenzen aus den Vorwürfen, er sei als Notar in Geschäfte mit Schrottimmobilien verstrickt. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte am Montag, die Entlassung werde spätestens am Dienstag in Kraft treten. „Das ist die richtige Entscheidung“, sagte Wowereit. „Mit Respekt“ nehme er Brauns Entscheidung zur Kenntnis. In den vergangenen Tagen hat Wowereit nach eigenen Worten mit dem CDU-Landeschef Henkel „in enger Kommunikation“ gestanden. Auf die Frage, ob Rot-Schwarz ein Fehlstart sei, antwortete Wowereit: „Wir hätten uns einen anderen Start vorgestellt.“ Die neuen Senatoren wurden erst am 1. Dezember im Parlament vereidigt. Ein Nachfolger für Braun steht noch nicht fest. Dessen Amtsgeschäfte werden zunächst kommissarisch von dem CDU-Gesundheitssenator Mario Czaja übernommen.

In der Berliner Landespolitik provozierte der Schritt sehr unterschiedliche Reaktionen. Die Opposition begrüßte den Rücktritt als "richtige Entscheidung", wie es Grünen-Fraktionschefin Ramona Pop sagte. Braun sei als Senator für Justiz- und Verbraucherschutz "nicht mehr zu halten" gewesen. Durch Brauns Rolle bei den umstrittenen Immobiliengeschäften sei der Eindruck entstanden, "Rot-Schwarz knüpft nahtlos an die 90er Jahre an, als Politik und dubiose Immobiliengeschäfte in Berlin verquickt waren". Nach Braun sei nun schnell ein neuer Senator zu finden, "der über alle Zweifel erhaben ist".

Für die Linkspartei erklärte deren Berliner Bundestagsabgeordneter und früherer Berliner Parteivorsitzender Stefan Liebich, Brauns Rücktritt "belegt, dass die Berliner CDU immer noch die Alte ist". Die Partei habe "die Jahre in der Opposition nicht für eine Erneuerung genutzt und ist im Kern immer noch die Föderation Westberliner Kreisfürsten der Diepgen-Landowsky-Zeit". Christopher Lauer von der Piratenpartei bezeichnete Brauns Bitte um Entlassung als „in Ordnung“.

In der Berliner CDU wurde Brauns Rücktritt am Montag überwiegend mit großem Bedauern betrachtet - und mit Ärger gegenüber den nach Ansicht vieler Parteifreunde ungerechtfertigten Vorwürfen gegen ihn. "Das war eine völlig abwegige Diskussion", sagte die CDU-Abgeordnete Cornelia Seibeld, die beruflich Rechtsanwältin ist, dem Tagesspiegel. Die an Braun angelegten Maßstäbe seien "völlig irre", findet sie: "Das macht jeder Anwalt in Berlin, das hätte jedem von uns passieren können", sagte sie mit Bezug auf umstrittene Immobiliengeschäfte, die Braun betreute. Sie sehe in Brauns Verhalten weder ein rechtliches Problem, noch habe sich der bsiherige Senator in Widersprüche verstrickt, wie ihm seine Kritiker vorgehalten hatten.

CDU-Fraktionschef Florian Graf sagte dem Tagesspiegel: "Der Rücktritt verdient unseren Respekt, denn Michael Braun geht diesen Schritt, um Schaden vom Amt des Justiz- und Verbraucherschutzsenators abzuwenden. Er wird seine Arbeit als direkt gewählter Abgeordneter für Steglitz-Zehlendorf auch in Zukunft in der CDU-Fraktion verantwortlich fortführen."

"Die Mitglieder des Präsidiums haben Braun volles Vertrauen ausgesprochen", sagte Berlins CDU-Chef Frank Henkel nach einer Präsidiumssitzung der Berliner CDU am Montagmittag. Henkel war es, der die Nachricht von Brauns Rückzug der Öffentlichkeit mitteilte. "Wir haben keinen Grund daran zu zweifeln, dass sich Michael Braun korrekt verhalten hat. Er hat die Praktiken dieser unseriösen Geschäftemacher, von denen er als Notar missbraucht worden ist, selbst in aller Form verurteilt", sagte Henkel. Die zahlreichen Argumente von Michael Braun seien öffentlich "leider nie zur Kenntnis genommen" worden. "Dennoch hat Braun mitgeteilt, dass er aufgrund der einseitigen Berichterstattung Berlins Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit um seine Entlassung bitten wird - zum Wohle der Stadt und um Schaden von seinem Amt abzuwenden." Das Präsidium habe den Entschluss mit Bedauern und Respekt zur Kenntnis genommen.

Am Montagmorgen hatte Braun zunächst seine Zuständigkeit für den Verbraucherschutz abgegeben - vorerst, bis zur Klärung der Vorwürfe, wie er sagte. Nun folgte der vollständige Rücktritt. Anlass ist die Affäre um den Verkauf von so genannten Schrottimmobilien.

Kurz vor seinem Rücktritt hatte Braun in einer am Montagfrüh verbreiteten Erklärung die "Offenlegung der Vorwürfe" gefordert. Der Senator erklärt darin: "Alle Urkundsbeteiligten, die Beanstandungen gegen meine Amtsausübung als Notar haben, fordere ich auf, diese Beanstandungen unverzüglich bei dem Präsidenten des Landgerichts Berlin als zuständige Dienstaufsichtsbehörde für die Notare vorzubringen." Der Präsident des Landgerichts habe sich bereit erklärt, gemeinsam mit seinen richterlichen Mitarbeitern etwaige Vorgänge unverzüglich und zügig zu prüfen. .

Ein Notar ohne Fehl und Tadel?

Michael Braun tritt als Senator zurück.
Michael Braun tritt als Senator zurück.

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Am Wochenende hatte sich Braun als Notar ohne Fehl und Tadel gezeigt. Das ergibt sich aus einer Mitteilung des CDU-Politikers, die die Verwaltung des Justiz- und Verbraucherschutzsenators am Sonntagnachmittag an die Medien verschickte. Zuvor waren die Zeitungen einmal mehr voll von Fällen, in denen die Käufer sogenannter Schrottimmobilien Braun vorwarfen, er habe sie als Notar in die Falle laufen lassen, in die die Verkäufer der überteuerten Wohnungen sie gelockt haben sollen.

Braun teilt mit, dass „lediglich 67“ seiner mehr als 700 zwischen Juni 2010 und November 2011 abgewickelten Notariatsgeschäfte sich auf Kaufangebote bezogen hätten. Die Trennung von Geschäften in – zur Verwirrung vieler Laien rechtsverbindlichen – Kaufangebote und spätere Annahme durch den Verkäufer gilt als typisch für unseriöse Geschäfte. Sieben dieser Beurkundungen erfolgten laut Braun nach 20.30 Uhr abends, keine nach 22 Uhr. Ungewöhnliche Beurkundungszeiten gelten als weiteres Indiz für fragwürdige Deals. Ein Verbraucherschützer erklärte dazu: „Die geschulten Immobilienvermittler machen den Notartermin ganz schnell, sobald sie ihren Interessenten sturmreif geschossen haben.“

Durch die Berichterstattung sieht sich Braun eher ent- als belastet: Offenbar seien Käufer „von manchen Vertriebsbeauftragten bewusst“ zu falschen Angaben animiert worden. „Das spricht gegen ein rechtswidriges Zusammenwirken von Vertriebsbeauftragten und mir.“ Mehrere auf die Deals Hereingefallenen hatten allerdings berichtet, dass Braun nie detailliert nachgefragt habe. Im Rechtsausschuss des Parlaments hatte Braun am vergangenen Mittwoch noch betont, er sei bei möglicherweise fragwürdigen Fällen „besonders sorgfältig“ gewesen.

Dass seine Bilanz erst im Juni 2010 beginnt, erklärt Braun mit einer damals von „Finanztest“ ausgegebenen Warnung vor windigen Immobiliendeals. Die jetzt bekannt gewordenen Fälle sind teils ganz aktuell, teils Jahre alt, tauchen also in der Bilanz gar nicht auf. Der „Spiegel“ meldet, Braun wisse schon seit einem Schreiben des Landgerichts im August, dass Ärger wegen dreier mutmaßlich sittenwidriger Geschäfte auf ihn zukomme. Braun teilte mit, er sei in diese Verfahren nicht involviert. Bei der monatlichen Sitzung des Präsidiums der Berliner CDU, die seit Montagmorgen um 8.30 Uhr läuft, dürfte es vor allem um Braun gehen, der auch Kreischef von Steglitz-Zehlendorf ist. Der Koalitionspartner SPD hält sich zurück, solange die Vorwürfe nicht gerichtsfest bewiesen sind.

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