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Schlagloch

© Kai-Uwe Heinrich

Verkehr: Berlin - die Hauptstadt der Schlaglöcher

In Berlin sind Fahrbahnen und Bürgersteige vielerorts kaputt. Doch das Geld reicht nur für Flickwerk. Eine nachhaltige Besserung der maroden Straßen ist nicht in Sicht.

Viele Berliner Straßen sind derzeit aufgewühlt wie ein brandenburgischer Kartoffelacker. Die Bauämter nutzen die verkehrsarme Ferienzeit, um Reparaturen ausführen zu lassen. Doch meist handelt es sich nur um Flickwerk. Rund 48 Millionen Euro stehen den zwölf Bezirken in diesem Jahr für ihre Straßen zur Verfügung – aus Sicht des ADAC reicht das bei weitem nicht. Aber nicht nur das: In den Tiefbauämtern häufen sich Schadensersatzforderungen von Fußgängern, Radlern und Autofahrern.

Dass Berlin ein Problem mit dem Straßenzustand hat, verdeutlicht auch der Meldedienst für Schlaglöcher, den der Automobilclub ACE auf seiner Internetseite eingerichtet hat. Mit doppelt so vielen Hinweisen wie Leipzig liegt Berlin bei der Resonanz deutlich an der Spitze, auf den Plätzen drei bis fünf folgen Nürnberg, Halle und Hannover. Der Vorsitzende des ACE, Wolfgang Rose, bezeichnete den Zustand der Straßen bereits als „Konjunkturprogramm für Hersteller von Radlagern, Stoßdämpfern und Reifen“. Die Zahl der Sturzverletzungen aufgrund von Straßenschäden wird weder von der Feuerwehr noch von Kliniken und Versicherungen statistisch erfasst.

Die jährlichen Forderungen belaufen sich inzwischen auf einen fünfstelligen Betrag, heißt es im Tiefbauamt eines Bezirks. Geschädigte hätten aber schlechte Chancen auf Kostenerstattung. Sie müssen unter anderem nachweisen, dass der Schaden bei angemessener Geschwindigkeit wirklich durch ein Schlagloch entstanden ist, das obendrein nicht vorhersehbar war. Dagegen sichern sich die Tiefbauämter in der Regel durch das Aufstellen von Warschildern. Außerdem muss das Loch der Behörde bekannt gewesen sein. Auch dies dürfte nur schwer nachzuweisen sein, denn Hauptstraßen werden in Berlin nur zweimal im Monat von den Behörden in Augenschein genommen, Nebenstraße gar nur alle acht Wochen. Deshalb sei man auch auf Hinweise von Bürgern angewiesen, sagt ein Tiefbauamtsleiter.

Dieses Jahr hat 26,1 Millionen Euro hat Finanzsenator Thilo Sarazzin (SPD) für die Straßen gebilligt. Einigen Bezirken ist es gelungen, durch Einsparungen in anderen Bereichen noch zusätzliche Mittel locker zu machen, Neukölln beispielsweise 450 000 Euro. Treptow-Köpenick hat mit 3,5 Millionen Euro die höchste Summe zur Verfügung, gefolgt von Neukölln mit drei Millionen. Bei den Innenstadt-Bezirken liegt Mitte mit 2,29 Millionen im Mittelfeld und Charlottenburg- Wilmersdorf mit 1,5 Millionen eher im hinteren Bereich. Das Schlusslicht bildet Friedrichshain-Kreuzberg mit 929 000 Euro.

Dabei haben die Bezirke in diesem Jahr noch Glück. Weitere zehn Millionen stehen für Einzelprojekte aus EU-Mitteln als Rest des auslaufenden Schlagloch-Sanierungsprogramm zur Verfügung, sagt Petra Rohland, Sprecherin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Weitere sechs Millionen, die auf die Bezirke verteilt werden, hat Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) aus dem Etat ihrer Behörde lockergemacht. 17,6 Millionen aus Bundesmitteln stehen der Senatsverwaltung selbst für Autobahnen und Bundesstraßen zur Verfügung.

Im Jahr 2008 wird es noch enger. Wenn das Abgeordnetenhaus zustimmt, soll es zwar insgesamt 32 Millionen Euro für die Straßen geben. Doch aller Voraussicht nach sind Zusatzmittel dann gestrichen. Obendrein wird es bei der Verteilung der Baumillionen so manche Verschiebung geben. Denn künftig dient nur noch der Anteil der Straßenflächen als Bemessungsgrundlage. Dann kann sich Spitzenreiter Pankow mit 10 Millionen Quadratmetern auf rund eine Million Euro mehr freuen. Mehr Geld erhalten auch Steglitz-Zehlendorf, Charlottenburg-Wilmersdorf. Lichtenberg, Neukölln, Spandau und Treptow-Köpenick gehören zu den größten Verlierern.

Obwohl inzwischen in „besserer Qualität“ geflickt wird, sind die meisten Berliner Straßen in einem „erbärmlichen Zustand“, sagt Jörg Becker vom ADAC Berlin-Brandenburg. Da nur noch die Oberflächen repariert werden, verrotten die unteren Schichten immer mehr. Der Automobilclub fordert deshalb ein Sanierungsprogramm, bei dem über drei Jahre jeweils 150 Millionen Euro investiert werden. Um den Stand dann zu halten, seien danach jährlich 70 Millionen Euro erforderlich. Wo das Geld dafür herkommt, weiß der ADAC auch: Das Land müsste einen Teil Kraftfahrzeugsteuer dafür verwenden. Bei 320 Millionen Euro, die Berlins Autofahrer jährlich zaheln, dürfte das kein Problem sein, so der Automobilclub. Da ist der Finanzsenator sicherlich anderer Meinung.

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