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Verkehr in Berlin: Die Fahrradstadt Berlin ist schlecht aufgestellt

Der Zweiradverkehr in Berlin wächst rapide, doch es fehlt an sicheren Stellplätzen. An einem Ort wird an diesem Montag eine Neuerung gefeiert - wenn auch eine umstrittene.

Andere Städte klotzen, Berlin baut noch mit Klötzchen. Berlins S-Bahn-Chef Peter Buchner, Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) und der Pankower Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) wollen an diesem Montag gemeinsam eine „innovative Lösung“ feiern.

300 „Doppelstockparkplätze“ für Fahrräder stehen jetzt am S-Bahnhof Pankow bereit, ein Fahrradparkhaus ist es nicht, die Räder sind weder überdacht noch überwacht. Anders als in der Pressemeldung von Bahn und Senat behauptet, ist das System auch nicht neu. Vor Jahren standen solche Doppelständer schon privat installiert am Axel-Springer-Hochhaus – und stießen auf wenig Akzeptanz, weil die Handhabung für den oberen Stock mühsam ist.

Über Parkhäuser für Fahrräder wird in Berlin nur diskutiert. Dabei gibt es sie direkt hinter der Stadtgrenze schon, Bernau hat seit Jahren eines, seit kurzem auch Potsdam. Gerade teilte die Verkehrsverwaltung in der Antwort auf eine kleine Anfrage mit: „Die Abstellprobleme in der Stadt haben sich erheblich verstärkt.“

Staatssekretär Gaebler kündigte vor zwei Jahren den Bau zweier Anlagen am S-Bahnhof Mexikoplatz und am U-Bahnhof Krumme Lanke für 2015 an. Geschehen ist nichts. In einer parlamentarischen Anfrage der Linken-Abgeordneten Jutta Matuschek nennt der Senat nun die Bahnhöfe Gesundbrunnen und Zehlendorf als mögliche Pilotprojekte. Derzeit würden „geeignete Finanzierungs- und Fördermodelle erarbeitet“, hieß es aus der Verwaltung. Jahreszahlen werden nicht mehr genannt.

Am S-Bahnhof Zehlendorf wird seit Jahren hin- und herüberlegt, am Fernbahnhof Gesundbrunnen sollen gerade einmal 40 Stellplätze in einer automatischen Anlage entstehen. In den Niederlanden oder der Schweiz gibt es zahlreiche Parkhäuser mit mehreren tausend Plätzen, selbst das in Bernau bietet Platz für fast 600 Räder.

Kraftakt. Der doppelstöckige Fahrradständer am S-Bahnhof Pankow erfordert Muskeleinsatz – zumindest bei der Nutzung der oberen Etage. Die bleibt deshalb meistens leer.
Kraftakt. Der doppelstöckige Fahrradständer am S-Bahnhof Pankow erfordert Muskeleinsatz – zumindest bei der Nutzung der oberen Etage. Die bleibt deshalb meistens leer.

© Thilo Rückeis

„Es ist ein Witz, dass Berlin immer noch kein Fahrradparkhaus hat“, findet der ADFC-Verkehrsexperte Bernd Zanke. Aus Sicht des Fahrradclubs sind bewirtschaftete Stationen wie in Potsdam zu bevorzugen, um Diebstähle zu minimieren. 32.244 Fahrraddiebstähle wurden 2015 in Berlin bei der Polizei angezeigt, ein neuer Rekord. Ein bedeutender Teil verschwand an Bahnhöfen.

Zweierlei empfiehlt die Polizei in ihrer jüngsten Kriminalstatistik: hochwertige Schlösser und die „Reduzierung von Tatgelegenheiten“. Das ist polizeideutsch und soll heißen: sichere Bügel zum Anschließen. Nur in sich abgeschlossene Räder können einfach weggetragen werden. 30 000 Stellplätze gibt es derzeit an U- und S-Bahnhöfen, vielfach immer noch mit uralten „Felgenkillern“ wie es in einer gerade veröffentlichten Studie des „Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel“ (Innoz) heißt.

Diebe lieben diese simplen Halterungen: Einfach das Vorderrad aus dem Rahmen lösen und den Rest wegtragen. Für die Polizei ist das eine Tatgelegenheit. Der Bezirk Lichtenberg will am Mittwoch die ersten abschließbaren Boxen präsentieren, und zwar vor dem Bahnhof Lichtenberg. Darin können teure Räder oder Pedelecs gegen Gebühr eingeschlossen werden.

Viele Fahrradständer sind voll - oder werden nicht angenommen

Das Innoz hat Ende Januar bis Anfang Februar – also nicht gerade in der Fahrradsaison – die Belegung an 33 Bahnhöfen untersucht. Ergebnis: Viele Fahrradständer „sind selbst im Winter entweder voll oder nahezu ausgelastet“. An vielen Bahnhöfen werden mehr Räder wild angekettet als an offiziellen Ständern abgestellt.

Dafür werden mehrere Gründe genannt: Zu wenige, unsichere oder „wenig akzeptierte“ Stellplätze. So wurde vor zwei Jahren eine immerhin überdachte Anlage am Bahnhof Südkreuz eröffnet – weit entfernt von der Bahnsteighalle. Autoparkplätze gibt es näher an den Gleisen. Weiterhin wird jedes Verkehrsschild und jedes Bäumchen zum Anschließen missbraucht. Und am Berliner Hauptbahnhof herrscht seit dessen Eröffnung das reine Chaos, zumal weder Bezirk noch die Bahn die zahllosen Fahrradleichen an den wenigen Abstellbügeln beseitigen.

Fahrradaktivisten haben von all dem genug. Eine Initiative um Heinrich Strößenreuther und Peter Feldkamp will über einen Volksentscheid eine bessere Fahrradpolitik erzwingen. Der Gesetzentwurf dazu ist gerade fertig geworden. In Paragraf 9 werden 200 000 sichere Plätze an Bahnhöfen und an Straßen gefordert.  

Das Land hat jährlich nur 300 000 Euro für die Förderung von „Bike & Ride“ an Bahnhöfen eingeplant, von denen 50 000 im vergangenen Jahr nicht ausgegeben wurden und verfielen. In diesem Jahr sollen nach Senatsangaben 620 Bügel an U-Bahnhöfen in Charlottenburg-Wilmersdorf und Mitte neu hinzukommen. Die S-Bahn plant 302 neue Stellplätze, darunter 78 am Bahnhof Karlshorst. Dort gibt es bereits 600 Plätze, die in der Innoz-Studie mit 22 Prozent die schlechteste Auslastung hatten.

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