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Außen hui. Im Inneren bröckelt das Bahnhofsgebäude in Michendorf schon seit Jahren vor sich hin.

© Andreas Klaer

Verkehr in Brandenburg: Der Stationsversteher kommt nach Michendorf

Ein Imbisskettenbesitzer aus Berlin zeigt ein Herz für alte Bahnhöfe. Thomas Drechsel rettet nun schon den vierten: das bröckelnde Gebäude in Michendorf.

Durch die Fenster neben dem Eingang des Bahnhofs Michendorf pfeift der Wind, im Innenraum gibt der abgeplatzte Putz an mehreren Stellen das rote Mauerwerk frei. Es ist offensichtlich, dass sich schon länger niemand um das Gebäude des Michendorfer Bahnhofs, der zeitweise sogar Fernverkehrshalt für ICE-Züge vor den Toren Berlins war, gekümmert hat. Das ändert sich nun – dank des neuen Eigentümers Thomas Drechsel. Der Berliner Investor hatte das Gebäude Ende März für 313 000 Euro ersteigert.

In der Empfangshalle haben bereits die Vorarbeiten begonnen: Restauratorin Kristina Schindler untersucht mit Lupe und Spezialwerkzeug die verschiedenen Schichten Wandfarbe. „Wir freuen uns, dass sich endlich jemand dieses Gebäudes annimmt“, sagt sie. Mit Thomas Drechsel, Chef der Imbisskette „Wurst Maxe“, tut das nun jemand, für den dies nicht das erste Bahnhofsprojekt ist. Der 56-Jährige investiert offenbar gern in alte Gebäude – am liebsten in Bahnhöfe. So ließ er in Berlin bereits die Bahnhöfe Nikolassee und Mexikoplatz und in Brandenburg den Bahnhof Bad Saarow restaurieren, hatte aber auch schon einmal Pläne für die Raststätte Dreilinden auf den Tisch gelegt.

„Das ist einfach eine Liebhaberei von mir“, sagt der Investor. Im Inneren des Gebäudes plant er keine grundlegenden Veränderungen. Der Bahnhof soll zunächst so instand gesetzt werden, wie es der Denkmalschutz und die aktuellen Brandschutzauflagen fordern. Dafür müssen zum Beispiel Fenster und Dach erneuert und einige Stahlträger neu ummantelt werden. In der Eingangshalle sollen außerdem die alten Wandfliesen freigelegt werden. Um die Brandschutzauflagen zu erfüllen, muss Drechsel darüber hinaus zusätzliche Fluchtwege bauen lassen.

Einen Zeitplan für die Restaurierung könne er derzeit noch nicht nennen, sagt er, was die Kosten betrifft, hält er sich ebenso bedeckt. Nur so viel: „Weil es sich um Denkmalpflege handelt, lässt sich vieles steuerlich abschreiben.“

Die Bahn behält weiterhin das Geh-, Fahr- und Leitungsrecht für die Bahnhofshalle. „Das bedeutet, dass Personen auf ihrem Weg zum Zug jederzeit durch die Halle gehen oder ihr Fahrrad schieben dürfen“, sagt Drechsel.

Im Bahnhofsfoyer möchte der Investor einen Kiosk einrichten. Mit der Präsenz des Kioskpersonals hofft er das wohl häufigste Problem einzudämmen, von dem Bahnhöfe seiner Erfahrung nach betroffen sind: den Vandalismus. Da das Kioskpersonal aber nicht 24 Stunden am Tag da sein kann, will er zusätzlich Überwachungskameras installieren. Für den Pächter des Kiosks soll es zudem die Auflage geben, das Bahnhofsfoyer in sauberem Zustand zu halten. „Einfach, dass jemand mal morgens mit dem Wischeimer durchgeht“, sagt Drechsel. In Berliner Bahnhöfen habe er mit solchen Maßnahmen gute Erfolge erzielt.

Das Kartoffelrestaurant „Schneiders“ soll dem Michendorfer Bahnhof laut Drechsels Plänen erhalten bleiben, ebenso die psychotherapeutische Praxis und die sechs Mietwohnungen. Bei Letzteren werde sich in einigen Fällen allerdings der bisherige Mietpreis erhöhen: „Wir sind gerade dabei, die Wohnungen neu zu vermessen und stellen dabei fest, dass teilweise deutlich weniger Quadratmeter in den Mietverträgen stehen, als es tatsächlich sind.“ So hätten Mieter teilweise nur zwei Euro pro Quadratmeter bezahlt. „Hier wird es dann Anpassungen geben.“

Jennifer Henke, Betreiberin der Gaststätte „Schneiders“, soll nicht mehr Miete zahlen müssen. Zumindest habe ihr das der neue Eigentümer mündlich zugesichert, sagt die. Henke hat Jahre des Bangens um ihren Betrieb hinter sich. Die Deutsche Bahn hatte ihr bereits Ende 2014 den Mietvertrag gekündigt, um das Gebäude zu verkaufen. Als Jennifer Henke gemeinsam mit einem Partner Interesse am Kauf anmeldete, habe die Bahn ihr aber Auflagen präsentiert, die sie unmöglich hätte erfüllen können. Nachdem sie gegen die Mietkündigung Widerspruch eingelegt hatte, war der Vertrag stillschweigend weitergelaufen. Sie habe aber ständig damit gerechnet, dass sie das Restaurant doch würde räumen müssen. Aus diesem Grund habe sie auch seit Jahren keine Renovierungen mehr vorgenommen. Obwohl sie sich mit dem neuen Eigentümer gut verstehe, könne sie wegen der langen Zeit der Unsicherheit derzeit noch nicht aufatmen: „Ich glaube erst, dass ich hierbleiben kann, wenn ich die Bedingungen schwarz auf weiß habe.“ Bisher hat sie aber einen „durchaus positiven Eindruck“ vom neuen Eigentümer. „Er scheint wirklich Bahnhofsliebhaber und nicht bloß auf Profit aus zu sein.“

Den Gewölbekeller des Bahnhofs hatte Thomas Drechsel ursprünglich als zusätzliche Gastronomie-Fläche geplant. Dafür sei sie allerdings mit 70 Quadratmetern doch etwas zu klein. Nun wird eine örtliche Theatergruppe den Bereich für Proben und Auftritte mieten. In den dreistöckigen Teil des Empfangsgebäudes wird voraussichtlich ein Projekt zur Fortbildung für Langzeitarbeitslose einziehen.

Julia Frese

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