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Zug gefällig? Interessierte können sich demnächst bewerben. Foto: dpa

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Verkehr: Senat provoziert SPD-Linke mit S-Bahn-Ausschreibung

Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit und Stadtentwicklungssenator Müller starten die Teilausschreibung der S-Bahn - und das gegen den Willen der eigenen Partei. SPD-Landeschef Stöß reagiert schmallippig.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Der Berliner S-Bahnring, einschließlich der Zubringerstrecken, wird in den nächsten Wochen öffentlich ausgeschrieben. Mit dieser Entscheidung des Senats setzt sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) über Beschlüsse der eigenen Partei hinweg. „Eile ist geboten“, sagte Klaus Wowereit nach der Senatssitzung am Dienstag. Deshalb habe Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) die Vorlage zur Teilausschreibung „auf meine Bitte hin“ noch vor der Sommerpause im Kabinett eingebracht.

Für den S-Bahnring wird zunächst ein Teilnahmewettbewerb gestartet, der in vier Monaten beendet sein soll. Senator Müller rechnet mit mehreren Bewerbern. Im zweiten Quartal 2014 soll entschieden werden, wer das Streckennetz 15 Jahre lang betreiben darf. Die Vergabe wird an Bedingungen geknüpft: Die Beschaffung neuer Fahrzeuge (380 Wagen) im Wert von 600 Millionen Euro; die Anwendung bestehender Tarifverträge, ein Mindestlohn von 8,50 Euro und die Übernahme des Personals. Die Fahrpreise bleiben einheitlich, entsprechend dem VBB-Tarifverbund. Berlin und Brandenburg gewährleisten auch einen einheitlichen Fahrplan. Der ockergelb-rubinrote Außenanstrich der Waggons bleibt erhalten.

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Die neuen Fahrzeuge werden voraussichtlich ab 2018 ausgeliefert, teilte Müller mit. Drei Jahre später soll der Fuhrpark für den Ring komplett sein. Für die Beschaffung und Instandhaltung der neuen S-Bahnwagen, die mindestens 30 Jahre „sicher, dauerfest und wartungsarm“ sein müssen, ist der künftige Betreiber zuständig. Da der S-Bahnvertrag im Dezember 2017 ausläuft, muss der neue Betreiber noch eine Weile mit alten Wagen fahren. Dafür wird mit der Bahn AG eine Interimslösung ausgehandelt. Im Übrigen sei die Deutsche Bahn „selbstverständlich auch ein potenzieller und potenter Bewerber“ für den S-Bahnring, sagte Wowereit. Die Teilausschreibung bedeute nicht, dass es in Zukunft unterschiedliche Betreiber des Berliner S-Bahnnetzes geben müsse.

SPD-Landeschef Stöß reagiert schmallippig

Mit dem Beschluss zur Teilausschreibung schloss sich der Senat der herrschenden Rechtsmeinung an, dass eine Gesamtvergabe des Netzes juristisch nicht erlaubt ist. Die rechtlich mögliche Direktvergabe an die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) oder ein anderes kommunales Unternehmen bleibt eine Option für den Fall, dass für den S-Bahnring kein geeigneter Betreiber gefunden wird. Was mit den anderen Teilnetzen geschieht (Nord-Süd sowie Stadtbahn), will der Senat erst 2014 diskutieren. Wegen des moderneren Wagenparks gebe es da keinen so großen Zeitdruck, sagte Müller.

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Der Koalitionspartner CDU begrüßte die Senatsentscheidung. Sie entspreche dem Koalitionsvertrag und der Notwendigkeit, den Fuhrpark der S-Bahn zu modernisieren, sagte der CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici. Auch die Grünen finden die Teilausschreibung gut. „Dies ist ein längst überfälliger Schritt“, sagte der Vize-Fraktionschef der Grünen, Stefan Gelbhaar. Durch einheitliche Standards bei der Ausschreibung von Teilnetzen könne die „angebliche Zerschlagung der S-Bahn“ ausgeschlossen werden. Auch der Interessensverband der Wettbewerbsunternehmen im öffentlichen Personennahverkehr (Mofair) sieht keine Alternative zur Teilausschreibung. Nur der verkehrspolitische Sprecher der LinkenFraktion, Harald Wolf, sprach von einem „Irrweg“ und einer gezielten Brüskierung der SPD-Entscheidungsgremien.

Tatsächlich hatte der SPD-Landesparteitag am 9. Juni einen früheren Beschluss bekräftigt, der eine Teilausschreibung des S-Bahnrings ablehnt. Der neue SPD-Chef Jan Stöß sprach von einer „roten Linie“, die nicht überschritten werden dürfe. Auch die Arbeitsgruppe „Daseinsvorsorge“ der SPD-Fraktion favorisiert eine Gesamtausschreibung des Netzes oder die Vergabe an einen kommunalen Betreiber. Wegen eines ausstehenden Gutachtens wollte die AG aber erst nach den Ferien eine Empfehlung abgeben.

Ziemlich schmallippig reagierte Parteichef Stöß auf den Senatsbeschluss. „Die Position der SPD ist klar, wir lehnen eine Privatisierung der S-Bahn ab“, sagte er am Dienstag, das müsse die Verwaltung sicherstellen. Den Begriff „Teilausschreibung“ benutzte Stöß aber nicht mehr. Noch am Montag sprach er während einer Sitzung des SPD-Landesvorstands, dem die bevorstehende Senatsentscheidung bekannt war, von einem „Affront“. Der SPD-Fraktionschef Raed Saleh erklärte nur: „Ich erwarte, dass die Verwaltung im Rahmen des Koalitionsvertrages und des Haushaltsgesetzes handelt“. Zwar ist die Vergabe des S-Bahnrings allein Sache des Senats. Aber die Haushaltsmittel zur „Absicherung der Ausschreibung und Vergabe“ sind gesperrt und müssen nach der Auswahl des neuen Betreibers vom Abgeordnetenhaus erst noch freigegeben werden.

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