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Ungesundes Tempo. In Berlin gibt es gefühlt eine Menge Raser. Aber die Höchstgeschwindigkeiten werden in anderen deutschen Großstädten deutlich stärker überschritten. Das hat die Unfallforschung der Versicherer herausgefunden.

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Verkehr und Raserei: Berliner Autofahrer sind diszipliniert - zumindest relativ

Deutschlands schlimmste Raser fahren nicht durch die Hauptstadt, sondern durch München und Köln. Forscher fordern mehr Kontrollen und höhere Bußgelder.

Alles ist relativ – und Berliner Autofahrer sind diszipliniert. Zumindest relativ. Die hier ansässige Unfallforschung der Versicherer (UdV) hat ihre Messreihe fortgesetzt und in einer weiteren deutschen Stadt die real gefahrenen Geschwindigkeiten gemessen – nicht mit Blitzern, sondern anonym mit unauffälligen Geräten am Straßenrand. Nach Berlin 2014 und Köln 2015 war jetzt München an der Reihe. Nachdem sich die Berliner Autofahrer als ganz überwiegend vernünftig erwiesen hatten, fielen die Kölner durch teils massive Raserei auf. Bei den 669.000 Messungen auf 49 Münchner Straßen kam heraus, dass dort mit noch größerer Selbstverständlichkeit zu schnell gefahren wird. Nur die ganz skrupellosen Raser sind in München seltener als in Köln – aber immer noch deutlich häufiger als in Berlin.

Wo Tempo 50 erlaubt war, fuhren in Berlin rund fünf Prozent der gemessenen Autofahrer schneller als 55 km/h, in Köln zwölf Prozent und in München sogar 16 Prozent. Dabei sind schon jeweils 5 km/h Toleranz abgezogen worden. Mit mehr als Tempo 60 waren in Berlin nur knapp zwei Prozent der Fahrer unterwegs, in Köln und München jeweils knapp sechs Prozent. Bei den extremen Rasern, die mit mehr als 80 bzw. mehr als 100 Stundenkilometern durch die Stadt donnerten, lag München zwar hinter Köln, aber immer noch weit vor Berlin.

Kaum einer hält sich an Geschwindigkeit in Spielstraßen

Bei erlaubtem Tempo 30 trat in München jeder Sechste so aufs Gas, dass er mehr als 40 Stundenkilometer fuhr. In Berlin war es nur jeder Elfte, in Köln etwa jeder Achte. Bei den noch massiveren Überschreitungen gleichen sich die Bilanzen an: Jeweils knapp zwei Prozent fahren mehr als Tempo 50 und etwa 0,2 Prozent sogar schneller als 60 km/h.

An die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit in verkehrsberuhigten Bereichen („Spielstraßen“) hielt sich in München fast niemand, während in Köln und Berlin immerhin jeder Dritte das dort geltende Limit von sieben km/h einigermaßen einhielt.

Und einmal mehr zeigte sich nach Auskunft von UdV-Leiter Siegfried Brockmann, dass freifahrende Fahrzeuge meist schneller fahren als Pulks, wo die Vernünftigen die Raser bremsen. „Diejenigen, die vorschriftsmäßig unterwegs sind, tragen so zu mehr Verkehrssicherheit bei und sollten sich auf keinen Fall durch Drängler zu schnellerem Fahren verleiten lassen“, resümiert der Unfallforscher. Da sich der Bremsweg im Quadrat zur Geschwindigkeit verlängert (doppeltes Tempo = vierfacher Bremsweg) und im Ernstfall vor dem Bremsbeginn die Schrecksekunde kommt, ist die Wirkung von Tempoverstößen für die Verkehrssicherheit gigantisch.

Nur regelmäßige Kontrollen wirken

Da in die Messkampagne in München auch ein Blitzmarathon fiel, konnte dessen Wirkung gleich mitbeobachtet werden. Ergebnis: Am Stichtag wurde überall langsamer gefahren, aber schon am Tag danach war es mit der Disziplin vorbei. Für Brockmann ist klar, das nur „regelmäßige und flächendeckende stationäre und mobile Kontrollen“ nachhaltig wirken. Und der Bußgeldkatalog sollte so überarbeitet werden, dass hohe Überschreitungen strenger bestraft werden. Selbst mit dem jetzigen Bußgeldkatalog wären in München fast 4.000 Euro Bußgeld pro 1.000 Fahrzeuge zusammengekommen – mehr als doppelt so viel wie vor zwei Jahren in Berlin. In Köln hätte es zwar insgesamt weniger Bußgeld als in München, aber wegen der massiven Raserei dort noch deutlich mehr Punkte und Fahrverbote gehagelt. Nächstes Jahr wollen die Unfallforscher ihre Testreihe abschließen: in Hamburg.

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