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Update

Anti-Fluglärm-Demo: Pfiffe für Wowereit

Die Lärmschutzkommission hat ihre Sitzung ohne Beschluss beendet. Der ehemalige Regierende Bürgermeister Diepgen verteidigte den Standort Schönefeld. Wowereit wird bei der wöchentlichen Montagsdemo ausgebuht.

Erst waren die Erwartungen groß – jetzt ist es die Ernüchterung. Im Streit um die künftigen Routen vom und zum neuen Flughafen in Schönefeld ist die Sitzung der Fluglärmkommission am Montag vorzeitig beendet worden – ohne konkretes Ergebnis. Damit verliere man weitere Zeit, bis die Routen festgelegt werden können, klagte Flughafensprecher Ralf Kunkel. Die nächste Sitzung der Fluglärmkommission, die ohnehin nur eine beratende Funktion hat, ist für den 13. Dezember vorgesehen.

Am Abend konnte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) auf der wöchentlichen Montagsdemo in Lichtenrade zunächst nur unter Buhrufen und Pfiffen reden. Einge der rund 5000 Teilnehmer riefen „Lügner“ und „abtreten“. Wowereit, der selber viele Jahre dort gewohnt hatte, erklärte seine Solidarität mit den Lichtenradern: „Die ökonomischen Belange der Flugesellschaften sind nachrangig.“ Den immer noch im Raume stehenden Vorschlag der Flugsicherung nannte er inakzeptabel. Wowereit sagte zudem, er sei immer schon für den Standort Sperenberg gewesen: „Aber andere haben die Entscheidung getroffen. Jetzt gibt es keine Alternative mehr.“Der CDU-Fraktions- und Landesvorsitzende Frank Henkel bezeichnete Wowereits Teilnahme als „Doppelspiel“. Als Bürgermeister habe er genug Möglichkeiten, auf die Routenplanung Einfluss zu nehmen.

Bei der vorangegangenen Sitzung der Lärmkommission, deren Teilnehmerzahl von 17 auf 34 erweitert worden war, lagen mehrere Vorschläge für alternative Routen auf dem Tisch, bei denen möglichst wenig bewohnte Gebiete überflogen werden sollen. Die Sitzung verlief nach Angaben von Teilnehmern ziemlich chaotisch; Vertreter von Bürgerinitiativen, die als Gast teilnehmen wollten, wurden ausgeladen und wieder zugelassen.

Ob das Gremium später zu einem Beschluss kommen wird, ist ungewiss. Bereits zuvor waren die Mitglieder so zerstritten, dass einige der bisherigen Teilnehmer die vom Infrastrukturministerium in Brandenburg initiierte Aufnahme weiterer Mitglieder gerichtlich untersagen lassen wollten. Der Versuch scheitere. Flughafensprecher Kunkel forderte das Gremium auf, „professioneller“ zu arbeiten. Die Flugsicherung soll nun, ohne förmlichen Auftrag, prüfen, ob sich die der Kommission vorliegenden Anträge zu Alternativrouten umsetzen lassen, teilte das Infrastrukturministerium mit.

Die Flugsicherung selbst hatte keine eigenen Pläne mitgebracht. Sie war nach der heftigen Kritik an ihrem Konzept von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) aufgefordert worden, zu den ursprünglichen Plänen zurückzukehren. Dieses Ansinnen müsse nun die Lärmschutzkommission aufnehmen und an die Flugsicherung weiterleiten, heißt es dort. Deren Pläne sahen vor, dass die Flugzeuge auch bei einem Parallelstart zunächst geradeaus fliegen. So war im Genehmigungsverfahren für den Flughafenausbau auch das Lärmschutzgebiet festgelegt worden. Am 6. September stellte die Flugsicherung ein anderes Konzept vor, wonach die Maschinen nach dem Start abknicken sollen. Dabei würden auch bewohnte Gebiete überflogen, für die dies bisher nicht vorgesehen war.

Der ehemalige Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), der 1996 zusammen mit dem damaligen Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) den Standort Schönefeld gegen den ursprünglichen Willen von Brandenburgs Regierungschef Manfred Stolpe (SPD) durchgesetzt hatte, sagte dem Tagesspiegel, die neuen Sicherheitsbestimmungen seien entweder verschlafen worden oder „die Verantwortlichen steckten den Kopf bewusst in den Sand“. Es hätte noch umgeplant werden können. Aber selbst beim Lärmschutzprogramm sei einfach so weitergemacht worden. Dies sei mindestens eine „Schlamperei.“ Die Entscheidung für Schönefeld hält Diepgen nach wie vor für richtig, auch wenn es seit 1996 Veränderungen durch die Billigflieger gegeben habe. Bei den damals diskutierten Standorten Jüterbog, Parchim und Sperenberg wäre Wirtschaftskraft aus der Stadt und dem Umfeld abgezogen worden. Jetzt profitiere der Wissenschaftsstandort Adlershof von der Entscheidung.

Eine erneute Diskussion über den Standort schade der Hauptstadtregion, erklärte am Montag die Flughafengesellschaft. Sie verwies erneut darauf, dass Parallelstarts – und damit geänderte Flugrouten – erforderlich seien, um den bereits angemeldeten Verkehr abwickeln zu können. Klaus Kurpjuweit. (mit asi/ball/has)

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