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In München gestrandet ist dieser indische Fluggast.

© dpa

Update

Aschewolke aus Island: Kritik an Flugverbot wächst

Die Flughäfen in Deutschland bleiben wegen der Aschewolke bis Sonntag um 20 Uhr gesperrt - mindestens. Eine weitere Sperrung des deutschen Luftraums deutet sich bereits an. Bei Piloten und Fluggesellschaften regt sich Unmut.

Ein Ende des vom Vulkanausbruch auf Island verursachten Flugchaos ist nicht in Sicht: Der deutsche Luftraum bleibt mindestens bis Sonntagabend gesperrt. Die Deutsche Flugsicherung (DFS) verlängerte am Morgen das Flugverbot bis 20.00 Uhr. Dann wird die Sperrung des bundesweiten Luftverkehrs nach dem Vulkanausbruch auf Island genau 48 Stunden andauern. Betroffen sind weiterhin alle 16 internationalen Flughäfen sowie die Regionalflughäfen.

Der Flugsicherung zufolge ist es nach den derzeit vorliegenden Informationen unklar, wie lange die Flugzeuge am Boden bleiben müssen. Die ungünstigen Nordwestwinde, die die Aschewolke von Island nach Deutschland lenken, werden laut Meteorologen auch in der nächsten Woche anhalten. Eine weitere Sperrung des deutschen Luftraums hat die Flugsicherung bereits angedeutet. „Im Moment ist die Tendenz eher dahingehend, dass es verlängert wird“, sagte Sprecher Axel Raab dem Audiodienst. Entschieden werden soll bei einer Sitzung am späten Nachmittag.

Sogenannte Flüge nach Sichtflugregeln (VFR-Flüge) sind nach wie vor möglich. Die Piloten fliegen dabei ihre leeren Maschinen auf eigene Gefahr. Die Deutsche Lufthansa hatte am Samstag bereits mehrere Flugzeuge von München nach Frankfurt am Main überführt. Die DFS erwartete am Sonntag weitere solcher Überführungsflüge dieser und anderer Airlines. Die Fluggesellschaften wollen ihre Maschinen an die Flughäfen bringen, an denen sie nach Ende des Flugverbots vorrangig benötigt werden.

Der Gletschervulkan in Island ist unterdessen unverändert aktiv. Wie das Meteorologische Institut in Reykjavik am Sonntagmorgen mitteilte, stößt er wie seit Mitte der Woche riesige Mengen Rauch und Asche in die Atmosphäre. Der Wind in höheren Lagen treibt die Vulkanwolke weiter auf den europäischen Kontinent in südliche Richtung zu. Im Vulkangebiet selbst fallen große Mengen Asche nieder. Auch die Messungen seismischer Aktivitäten im südisländischen Gebiet um den Eyjafjalla-Gletscher ergaben keine Anzeichen für eine Beruhigung.

WHO warnt vor Asche-Partikel

Besonders Menschen mit Atemwegs-Problemen können von der Aschewolke aus Island gesundheitlich betroffen werden. Darauf hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Freitagabend in Genf hingewiesen. Probleme könnten Kleinstpartikel bereiten. „Kleine Teilchen von weniger als zehn Mikrometer Größe sind gefährlicher, weil sie tiefer in die Lunge eintreten können“, wird die WHO- Gesundheitsexpertin Maria Neira in einer Erklärung zitiert.

Nach einer ersten WHO-Analyse sind etwa ein Viertel der in dem Aschestaub des Vulkans enthaltenen Teilchen weniger als zehn Mikrometer groß. Menschen mit Asthma, Bronchitis und Emphysem (Lungenaufblähung) seien besonders gefährdet, wenn diese derzeit noch in hoher Höhe befindlichen Partikel auf die Erde fallen. „Wer draußen etwas in Rachen oder Lunge spürt, eine laufende Nase oder juckende Augen bekommt, sollte ins Haus gehen und seine Aktivitäten draußen begrenzen“, erklärte die Expertin.

Kaczynski-Beerdigung: Zahlreiche Absagen

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs, darunter US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel, haben wegen der Aschewolke ihre Teilnahme an dem Begräbnis des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski und seiner Frau Maria abgesagt, da weite Teile des europäischen Luftraums weiterhin für den Luftverkehr geschlossen sind. Kaczynski war am Samstag vor einer Woche bei einem Flugzeugabsturz in Westrussland ums Leben gekommen. Insgesamt starben dabei 96 Menschen.

Bundespräsident Horst Köhler und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sind am Sonntagmorgen jedoch von Berlin zur Trauerfeier nach Krakau abgeflogen. Sie reisten per Hubschrauber in das Nachbarland.

Unmut bei Fluggesellschaften

Bei Fluggesellschaften wächst mittlerweile der Ärger, dass der Luftraum über Europa nur aufgrund von Mutmaßungen zur Belastung mit Aschestaub geschlossen bleibt. „Die Schließung erfolgte ausschließlich aufgrund von Daten einer Computersimulation beim Vulcanic Ash Advisory Centre in London“, kritisierte der Chef von Air Berlin, Joachim Hunold, in der „Bild am Sonntag“. Ein Mitarbeiter des Deutschen Wetterdienstes (DWD) bestätigte dies: „Wir bekommen Vorlagen aus London mit Anweisungen, dass mit Staub zu rechnen ist, selbst messen können wir bislang nicht“. Der DWD-Mitarbeiter geht davon aus, dass die Konzentration des von einem isländischen Vulkan ausgestoßenen Aschestaubs nicht mehr so groß ist wie befürchtet und womöglich bis Dienstag geflogen werden könnte. Aufgrund der herrschenden Luftströmungen bekomme die Wolke derzeit keinen Asche-Nachschub aus Island. Ab Dienstag werde es wegen drehender Winde aber voraussichtlich wieder schlimmer.

Die Deutsche Lufthansa hat verlässliche Messungen für den deutschen Luftraum verlangt. Es gebe bislang keine konkreten Daten über die tatsächlichen Auswirkungen des Vulkanausbruchs in Island, sagte ein Konzernsprecher am Sonntag in Frankfurt. Man könne sich nicht allein auf die Daten aus dem Vulkanasche-Zentrum in London verlassen. Für künftige Fälle müsse das System deutlich verbessert werden.

An zehn Flugzeugen der Lufthansa, die am Samstag ohne Passagiere von München nach Frankfurt am Main überführt wurden, waren keinerlei Schäden durch Aschestaub zu finden. „Die Maschinen flogen in 8000 Metern Höhe und damit in der angeblich kritischen Zone. In Frankfurt fanden unsere Techniker dann bei einer genauesten Untersuchung nicht den kleinsten Kratzer an Scheiben, der Außenhaut oder den Triebwerken. Ähnliche Erfahrungen hat die niederländische Gesellschaft KLM gemacht,“ sagte Sprecher Klaus Walther.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer kündigte unterdessen an, am Montagabend ein Messflugzeug mit Wissenschaftlern des Instituts für Atmosphärenphysik in Oberpfaffenhofen aufsteigen zu lassen. Die Wetterballons des DWD sind bislang noch nicht mit Sensoren zur Messung von Aschestaub-Konzentrationen ausgerüstet und daher für Untersuchungen zur Flugsicherheit nicht geeignet.

Kritik auch von der Pilotenvereinigung Cockpit

Auch die Pilotenvereinigung Cockpit kritisiert, dass in Deutschland ein Flugverbot ohne eigene Messungen der Aschekonzentration verhängt wurde. „Ich habe gedacht, es hätte in Deutschland bereits Testflüge des Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrums gegeben. Wenn diese erst am Montag stattfinden, ist das natürlich spät“, sagt Cockpit-Sprecher Jörg Handwerg dem Tagesspiegel. Er sei davon ausgegangen, dass „dort entsprechend sauber recherchiert wurde, als man die Notwendigkeit sah, den Luftraum zu sperren".

Handwerg geht davon aus, dass es nach der Aufhebung der Flugverbote rund zwei Tage dauern wird, bis sich die Lage wieder vollständig normalisiert habe. Um schnell wieder in einen Normalbetrieb zu kommen, spricht sich Cockpit auch für eine Aufhebung des Nachtflugverbots aus. „Ich kann das sehr gut nachvollziehen, es sind hier besondere Umstände, darauf muss man auch mit besonderen Maßnahmen reagieren“, sagt Handwerg. Damit gestrandete Passagiere so schnell wie möglich weiterkommen, müsse man  mehr Kapazität freisetzen, als man bisher habe, „also auch nachts fliegen“. (ck/dpa/AFP/ddp/Tsp)

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