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BBI: Wenn Schinkel einen Flughafen gebaut hätte…

Sparsam im Aufwand, nobel im Gestus, der Landschaft angepasst – was die Architekten sich bei der Entwurfsplanung dachten.

Ein Kreis schließt sich: Der Architekt Meinhard von Gerkan war 30 Jahre alt, als er 1965 beim Wettbewerb für den Flughafen Tegel den ersten Preis gewann. Es war sein erstes großes Projekt. Von 1970 bis 1975 wurde der Entwurf der Bürogemeinschaft gmp realisiert. Tegel, konzipiert in der glücklichen Luftfahrtzeit ohne Terror, fand als Airport kurzer Wege seinen Platz in der Baugeschichte.

Fast ein halbes Jahrhundert später baut das Architektenteam um Gerkan, die gmp gemeinsam mit dem Büro jsk international, jetzt wieder einen Flughafen für Berlin. Und auch dieser Flughafen soll in die Geschichte eingehen. Nach München ist es der zweite auf deutschem Boden, bei dessen Gestaltung die Architekten von null anfangen konnten. Das ist die wohl letztmalige Chance für einen großen planerischen und künstlerischen Wurf. So gut Städteplaner und Architekten die Herausforderung des „Bauen im Bestand“, des stilsicheren und respektvollen Umgangs mit überkommener, benachbarter Bausubstanz, anzunehmen gelernt haben, so oft geraten sie bei Ergänzung vorhandener Infrastrukturbauten an die Grenzen. Der immer wieder ergänzte und erweitere Rhein-Main-Flughafen Frankfurt etwa wirkt in seiner Vielfalt nun einmal fast zwangsweise wie ein zu klein gewordenes Kleid, dem je nach der Mode immer wieder neue Stoffstücke zur Erweiterung angenäht wurden. In Zürich-Kloten kann man biedere Fünfziger-Jahre-Architektur neben Glas-und- Stahl-Hallen der Jahrtausendwende bewundern, und in München ist zu studieren, dass auch eine Erweiterung nach nur einem Jahrzehnt keine Abrundung des Ensembles sein muss.

Gerkan und seinen Partnern liegt Großsprecherei im Berliner Stil fern. Da merkt man dem Büro doch eher hanseatische Zurückhaltung an. Der Stammsitz Hamburg zeitigt einen erfreulich zurückgenommenen Stil der Selbstdarstellung. Aber dem Grundprinzip des Büros, „Dinge so einfach zu gestalten, dass sie inhaltlich und zeitlich Bestand haben“, wollte man auch in Schönefeld treu bleiben und sich nicht von Computer-animierten und Rechner-gestützten Architekturphantasien treiben lassen. Programmatisch heißt es dazu bei gmp: „Expressionistische Formen, die nur der künstlerischen Willkür entspringen, ohne Bezug zur Nutzung, Konstruktion und Gebrauchstüchtigkeit, versuchen wir durch kritische Distanz zu aktuellen Architektur-Erscheinungen zu meiden.“ Wie Gerkan und Partner bauen, kann man in Berlin nicht nur in Tegel besichtigen. Auch der neue Hauptbahnhof wurde in diesem Büro konzipiert, die Handschrift von gmp prägte auch den Umbau des Olympiastadions.

Der Mann, der im Berliner Büro an der Hardenbergstraße besonders intensiv im BBI-Projekt steckt, ist Hans-Joachim Paap, assoziierter Partner bei gmp. Er schrieb seine Diplomarbeit 1990 bei Professor Meinhard von Gerkan, das Thema: Bau eines Flughafens bei Berlin. Als idealen Standort hatte er sich Luckenwalde gesucht. Daraus entstand das Leitbild für den neuen Airport – so wie sich 1965 Gerkans preisgekrönter Entwurf für Tegel aus dessen Diplomarbeit entwickelte…

Noch nie war in Deutschland ein Flughafen so ideal angebunden, schwärmt Paap über den Plänen für Schönefeld: Die Autobahn führt direkt zum Flughafen, die Bahn endet unter dem Terminal, die Wege sind kurz (siehe auch: Der Masterplan). Das flache, ebene Dach über diesem Terminal ist 200 mal 250 Meter groß. Links und recht schmiegen sich zwei Piere an, der eine im Süden wird die Basis der Flieger von Air Berlin sein. In der Mitte werden die Lufthansa und andere internationale Carrier andocken, der Nordflügel ist Easyjet vorbehalten – die Billigfluglinie will keine Fingerdocks haben und auch sonst Kosten sparen, wo es geht. Unglaublich schlanke Stahlträger tragen das gewaltige Dach, das die Vorfahrt mehr als 200 Meter lang überkragt. Stahl und Glas lassen die gewaltige Baumasse luzid erscheinen, Arkaden links und rechts verstärken noch den Eindruck von Leichtigkeit und Eleganz.

Wer mit dem Auto kommt, fährt über Kilometer direkt auf das Hauptgebäude zu, das trotz seiner mehr als 20 Meter Höhe die Landschaft nicht dominiert. Der Flughafen sollte nach dem Willen der Architekten Baustile und Traditionen Berlins und Brandenburgs spiegeln. Seit Schinkels Zeiten war hier Sparsamkeit Trumpf. Keine exzentrischen Materialien, keine aufwendigen und schwülstigen Formen. Großzügige Erschließung der Räume, gepaart mit zurückhaltender Eleganz. Hier hatte alles Bodenhaftung. Vergleicht man die märkischen Schlösser mit denen Bayerns, mag man sie karg nennen, aber sie sind architektonische und ästhetische Kinder einer Landschaft, deren Erhabenheit sich aus der Stille erschließt. So soll auch dieser Flughafen, im wahren und im übertragenen Sinne, fest auf der Erde stehen und sich dennoch wie schwebend präsentieren. Moderne Materialien ermöglichen eine früher unbekannte Eleganz der Konstruktion. Das Material wird nicht versteckt, es soll erkennbar sein. Besonders faszinierend wird das Bauwerk in der Dunkelheit wirken – die Decken des Terminals sind mit jenen lichtdurchlässigen Membranen verkleidet, die wir aus dem nächtlichen Olympiastadion kennen und die die Dachkonstruktion aufzulösen scheinen.

Die kühle Strenge des Baus wird überall da, wo Kundendienst, Service, geboten und verlangt wird, durch warmes Nussbaumholz gebrochen. Der Boden wird mit Stein aus dem Jura belegt, dessen samtgelber, ins Ocker changierender Ton sowohl zum Holz als auch zur Farbe Rot gut passt – einem Rot, das in allen Leitsystemen verwendet wurde. Es ist jenes Rot, das sowohl im Wappen Berlins als in dem Brandenburgs vorherrscht.

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