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Der Pannentest: Welche Probleme hinter dem Chaos stecken

Ein Überblick über die Zugausfälle und Verspätungen der vergangenen Tage.

Schon beim ersten Schneefall fielen die Züge reihenweise aus.

Anders als früher müssen die Züge wegen strengerer Wartungsvorschriften jetzt täglich in die Werkstatt. Dort kamen viele am Donnerstag wegen eingeschneiter Weichen nicht mehr an – und mussten aus dem Verkehr gezogen werden. Andere konnten gar nicht erst losfahren.

Es mangelt an fahrbereiten Waggons. Als Konsequenz aus Technik- und Wartungsmängeln haben die Bahn und das Eisenbahn-Bundesamt verschärfte Kontrollen vereinbart: Achsen müssen öfter geprüft, Räder vermessen und ersetzt werden. Außerdem wird seit Oktober täglich kontrolliert, ob genug Bremssand an Bord ist, weshalb Züge aus dem Verkehr genommen werden müssen. Fehlender Sand lässt sich laut Bahn bei Frost allerdings nur in der Werkstatt auffüllen und nicht unterwegs.

Es hapert an der Wartung. An den Endbahnhöfen enteisen laut S-Bahn 70 Helfer die Türen. Nach dem vergangenen Winter sind die Werkstattkapazitäten aufgestockt, Ersatzmotoren bereitgelegt und Heizlüfter beschafft worden. Doch bereits ein paar Stunden Verzögerung bringen die eingespielten Abläufe bei der aufwendigen Wartung für Tage durcheinander.

Die Anzeigen stimmen oft nicht. Auf dem Ring sollen die Anzeiger die realen Abfahrtszeiten der Züge ankündigen, aber die Software hat Mängel. Anderswo wird automatisch nur das Soll-Programm abgespult. Verspätungen und Ausfälle müssen von Hand eingegeben werden, was das knappe Personal überfordert.

Ansagen fehlen oder sind unklar. Nach Abzug der meisten Bahnsteigaufsichten muss zu wenig Personal zu viele Bahnhöfe aus der Ferne betreuen. Es gibt weder ein systematisches Krisenmanagement noch zuverlässige Informationen für die Aufsichten.

Züge schleichen und verspäten sich weiter.

Wenn der Bremssand mehr als einen Tag nicht kontrolliert wurde, dürfen die Züge noch eine Zeitlang weiterfahren – aber nur mit Tempo 60 und vor Signalen noch langsamer. Zweites Hauptproblem im Winter sind Ausfälle einzelner Fahrmotoren, die den Zug träger machen.



Neuerdings schneien die Weichen ein.
Offenbar hat die Bahntochter DB-Netz die Infrastruktur nicht im Griff. Sie verweist zwar auf funktionierende Weichenheizungen und 118 Schneeräumkräfte. Aber aus Sicht des Fahrgastverbandes Igeb reicht das Personal trotzdem nicht, weil auf den Bahnhöfen keine ausgebildeten Mitarbeiter mehr sind, die selbst mit der Schaufel zur nächsten Weiche laufen dürfen.

Das Land soll die Infrastruktur übernehmen.

Theoretisch wäre der Senat dafür, aber praktisch ist die Bahn nicht bereit, Teile ihrer hochprofitablen Netz-Tochter zu verkaufen. Im Grundbuch ist die Bahn als Eigentümer eingetragen. Politischer Druck aus dem Bundesverkehrsministerium könnte die Bahn aber zu mehr Investitionen ins Netz veranlassen.

Die S-Bahn wird die Probleme nie lösen. Der erhöhte Wartungsbedarf lässt sich nur mit einer neuen Zuggeneration beseitigen. Die ist allerfrühestens im Dezember 2017 zu erwarten, wenn der Vertrag des Landes mit der Bahn ausgelaufen ist. Der Austausch einzelner Teile und die Reparatur ausrangierter Züge lindern das Problem etwas – aber frühestens im nächsten Jahr. Und andere Zugmodelle können auf den Berliner S-Bahn-Gleisen nicht fahren. Eine Strukturreform, die Experten für notwendig halten, würde mehrere Jahre erfordern.

Der Senat reagiert hilflos. Dem Land bleibt kaum mehr, als die Zuzahlung zu kürzen und den Betrieb nach 2017 auszuschreiben oder der BVG zu übertragen. Letzteres bedeutet aber riesige Investitionen fürs Land. Und eine kurzfristig verfügbare Alternative für den S-Bahn-Betrieb gibt es nicht.

Die Opposition müsste Druck machen. Sie hat zumindest Forderungen: Die CDU verlangt dringend neue Verhandlungen von Klaus Wowereit mit Bahnchef Rüdiger Grube. FDP und Grüne fordern, den Betrieb schnellstens auszuschreiben, um Konkurrenten für die Zeit nach 2017 eine Chance zu geben.

Weitere Entschädigungen sind fällig. Der aktuelle Freifahrt-Monat gilt noch als Entschuldigung für die früheren Ausfälle. Über weitere Entschädigungen denkt die S-Bahn nach Auskunft ihres Chefs Peter Buchner bisher nicht nach. Die Chaosbeseitigung habe Vorrang. Der Druck wird auch davon abhängen, wie schnell das aktuelle Desaster behoben wird. Die S-Bahn hat sich als Ziel die kommende Woche gesetzt – sofern nicht zu viel Neuschnee kommt. kt/obs

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