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Flughafen BBI: Idylle ohne Stille

Die Anwohner rund um den künftigen Großflughafen BBI erhalten jetzt Schallschutzfenster. Familie Bacic in Selchow sieht dem Lärm gelassen entgegen. Aus der Terrasse wird eben ein Wintergarten.

Selchow – Familie Bacic bekommt bald neue Fenster, es sind Schallschutzfenster, die im ganzen Haus eingebaut werden – und alles, ohne einen Euro dafür zu bezahlen. Denn Zlatko (47) und Paulina Bacic (44) wohnen in dem 240 Einwohner zählenden Schönefelder Ortsteil Selchow. Hundert Meter östlich hinter ihrem Gartenzaun liegt die Baustelle für den Hauptstadtflughafen BBI. Dort wird gerade die südliche Start- und Landebahn gebaut.

Als erste von insgesamt 25 000 betroffenen Haushalten rund um den Flughafen haben sie kürzlich eine Kostenübernahmevereinbarung der Berliner Flughäfen für Lärmschutzmaßnahmen unterzeichnet. 20 000 Euro bekommt die Familie mit kroatischen Wurzeln von der Flughafengesellschaft für die Schallschutzfenster und Lüfter. Außerdem gibt es 4000 Euro Entschädigung für ihre nach der geplanten Inbetriebnahme des BBI Ende Oktober 2011 nur noch „eingeschränkt nutzbare“ Terrasse.

Vor vier Jahren sind Paulina und Zlatko Bacic aus Berlin, wo sie in Charlottenburg eine chemische Textilreinigung betreiben, nach Selchow gezogen. Ihre vier Kinder, ein Schwiegersohn und das kürzlich geborene Enkelkind wohnen jetzt alle unter dem Dach des 140 Quadratmeter großen Hauses. „Ab und zu wird es zwar laut. Aber mir ist das egal“, sagt der Familienvater. „Über 20 Jahre haben wir an der Potsdamer Straße in Tiergarten gewohnt, da habe ich bei offenem Fenster irgendwann den Lärm auch nicht mehr gehört.“

Familie Bacic hat sich in Selchow ein kleines Idyll aufgebaut. Innen ist alles renoviert, nur die Küche ist noch nicht fertig. Auf dem Hof ist eine Garage in Bau, und auf der Terrasse könnte mit dem Geld aus der Entschädigung ein Wintergarten entstehen. „Ob die fliegen oder nicht, ich habe meinen Garten, da ernte ich Äpfel, Birnen und Kirschen“, sagt Zlatko Bacic. Und er hat noch große Pläne, die Wege will er neu anlegen und einen Springbrunnen. Gleich nebenan grasen zwei Pferde hinterm Zaun. „Ich bin hier zufrieden“, sagt der Familienvater, im selben Moment donnert ein startender Flieger über das Haus.

Was den Fluglärm angeht, ist Paulina Bacic nicht ganz so gelassen wie ihr Mann. „Es ist schon laut“, sagt sie. Und Sohn Tihomir (19), der direkt unter dem Dach wohnt, meint: „Wenn man bei offenem Fenster telefoniert oder Fernsehen schaut, versteht man einen Moment lang überhaupt nichts.“ Inzwischen fühlt er sich in Selchow aber wohler als in Berlin. „Hier ist es so schön entspannt“, sagt er.

Neben Familie Bacic bekommen etwa hundert weitere Selchower Haushalte in diesen Tagen die Kostenübernahmebescheide zugeschickt, in den nächsten Wochen sollen die Arbeiten beginnen. Ein Gutachter hatte zuvor die Häuser vermessen und festgelegt, was gegen den Lärm getan werden muss. Nun können die Selchower eine von 15 Firmen beauftragen, die der BBI zuvor ausgesucht hatte. „Das lief alles ganz unkompliziert“, meint Paulina Bacic.

Das in der Baugenehmigung des BBI festgelegte Schallschutzprogramm umfasst nicht nur Privathaushalte in den Einflugschneisen, sondern auch 50 öffentliche Einrichtungen wie Kitas, Schulen und Pflegewohnheime in den 20 Kommunen rund um den Flughafen.

Auch die örtliche Feuerwehr von Selchow bekommt aus Kulanz neue Fenster, obwohl sie nicht zu den Empfangsberechtigten zählt. Erst vor knapp drei Wochen ist die Kita in Eichwalde mit neuen Schallschutzfenstern und Lüftern ausgestattet worden. Insgesamt investieren die Berliner Flughäfen nach eigenen Angaben in den nächsten zwei Jahren 138 Millionen Euro für Schallschutzmaßnahmen.

Noch im Sommer ist dann Bohnsdorf an der Reihe. Flughafen-Sprecher Ralf Kunkel sagt: „Wir gehen nach dem Zwiebelschalenprinzip vor und haben ein Interesse daran, dass wir die Lärmschutzmaßnahmen noch vor der BBI-Eröffnung Ende 2011 hinter uns gebracht haben. Dann beginnt der große Flugverkehr.“

Familie Bacic jedenfalls ist froh, wenn die neuen Fenster bald eingebaut sind. Die alten sind aus Holz und nur einfach verglast. Im Winter zieht es, und bei starkem Regen drückt das Wasser durch.

Zlakto Bacic will auf jeden Fall Kunststofffenster haben, weil bei denen die Pflege weniger aufwendig sei. „Im nächsten Jahr kann ich dann die Fassade am Haus neu machen.“ Und auf die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung ILA in Schönefeld freut er sich auch schon, denn die kann Zlatko Bacic vom Garten oder dem Dachfenster aus sehen – und zwar völlig umsonst.

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