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Tempelhof

© dpa

Flughafen-Streit: Tempelhofs Zukunft spaltet die Stadt

Sieben Tage vor dem Volksentscheid ist laut einer Umfrage jeder zweite Berliner für den Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof. Der Streit erfasst inzwischen auch die Bundesregierung.

Der Ton wird schärfer, der Streit eskaliert und erfasst inzwischen auch das Bundeskabinett: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) widersprach gestern heftig Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie hatte sich zuvor für Tempelhof stark gemacht und den Flugbetrieb als wichtigen Wirtschaftsfaktor bezeichnet. Steinmeier warf der Regierungschefin vor, sie nehme „sehenden Auges neue Risiken“ für den in Schönefeld entstehenden Internationalen Großflughafen (BBI) in Kauf. Damit unterstützte Steinmeier die Position seiner Parteifreunde im Senat. Aus deren Sicht würde ein Weiterbetrieb des City-Flughafens die juristische Grundlage des Großflughafens gefährden.

Für die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Renate Künast, ist Merkels Äußerung gar „ein Stück aus dem Tollhaus.“ Das Vorpreschen der Kanzlerin sei „wirtschaftlich schädlich für Berlin", sagte Künast gestern auf dem Parteitag der Berliner Grünen. Scharf kritisierte sie auch den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit für seine Äußerung, der Ausgang des Entscheides sei ihm egal. Stattdessen hätte er viel früher eine Diskussion über die Nachnutzung anstoßen müssen. „Das Areal biete Berlin die einmalige Chance, zur Hauptstadt des Klimas zu werden", sagte Künast. Sie wirbt für viel Grün und eine ökologische Wohnbebauung auf dem Tempelhofer Feld.

Der Regierende wiederum bekräftigte im Gespräch mit dem Tagesspiegel am Sonntag die Schließungsabsicht und sagte, das Gelände in Tempelhof sei für den sowieso stark rückläufigen Flugbetrieb „viel zu schade.“

Der Streit um Tempelhof entwickelt sich mehr und mehr zum Machtkampf zwischen Rot-Rot und der CDU, geht aber auch quer durch die politischen Lager. So bestärkte der sozialdemokratische Bundesfinanzminister Peer Steinbrück am Freitag erneut die Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof (ICAT) mit seiner Versicherung, der Bund werde die jährlichen Unterhaltkosten für den Flughafen von 10 Millionen Euro übernehmen, wenn dieser in Betrieb bleibe. Unerwähnt ließ Steinbrück, dass der Bund als Eigentümer des Flughafengebäudes diese Kosten aber auf jeden Fall tragen muss. Umgekehrt gibt es auch in der CDU, die massiv die ICAT-Kampagne unterstützt, Querdenker wie den Vize-Fraktionschef und Verkehrsexperten der CDU im Potsdamer Landtag, Wilfried Schrey. Auf der Website der Initiative „flugfreies Tempelhof“ ruft er zu deren Unterstützung auf.

Nach einer am vergangenen Freitag veröffentlichten repräsentativen Meinungsumfrage von Infratest Dimap im Auftrag des RBB liegen allerdings, wie berichtet, die Tempelhof-Befürworter derzeit vorn. Danach spaltet die Tempelhof-Frage die Stadt, jeder zweite Berliner spricht sich für den Erhalt des City-Airports aus. 37 Prozent sind dagegen, 13 Prozent äußerten sich unentschieden oder desinteressiert. Die meisten Befürworter hat Tempelhof im Westteil. Dort sind es 60 Prozent, in Berlin-Ost nur 35 Prozent. Die entscheidende Frage, wie viele der 2,4 Millionen stimmberechtigten Berliner am kommenden Sonntag überhaupt ins Wahllokal gehen, lässt aber auch die Umfrage offen. Bislang weiß man nur, dass rund 250 000 Berliner die Briefwahl beantragten. Für einen Erfolg des Volksentscheids müssten mindestens ein Viertel der Wahlberechtigten, also 611 000, mit Ja stimmen und dabei zugleich die Mehrheit stellen.

Aus der Umfrage ergibt sich lediglich, dass 64 Prozent der Berliner „stark“ oder „sehr stark“ an der Abstimmung interessiert sind – und von diesen Interessierten plädieren 61 Prozent für die Offenhaltung. Falls sich die Wahlbeteiligung tatsächlich der 64-Prozent-Marke nähert, wäre das Interesse am Volksentscheid höher als an der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2006. Damals gaben nur 58 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab.

Sollte der Entscheid Erfolg haben, ist der Senat an dieses Votum aber nicht rechtlich gebunden. Für Wowereits Absicht, Tempelhof in jedem Falle zu schließen, gibt es in der Bevölkerung aber offenbar wenig Rückhalt. Laut Umfrage erwarten sogar 54 Prozent der Tempelhof-Gegner, dass der Senat seine Pläne nach einer erfolgreichen Abstimmung überdenkt.

Die Flughafen-Gegner von SPD, Linken und Grünen verurteilten am Freitagabend im DGB-Haus eine Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) zugunsten von Tempelhof. Auf dem Podium saßen die Fraktionschefin der Grünen im Abgeordnetenhaus, Franziska Eichstädt-Bohlig, der verkehrspolitische SPD-Sprecher Christian Gaebler und der Abgeordnete der Linken, Wolfgang Albers. Laut IHK-Studie wäre der BBI schon zur Eröffnung 2012 nicht mehr groß genug für den den gestiegenen Fluggast-Ansturm. „Falls nötig, kann man den BBI ausbauen,“ konterte Franziska Eichstädt-Bohlig.

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