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Verkehr am Himmel. Wie laut es sein kann, erleben Besucher, die nicht unter Flugrouten leben, alle zwei Jahre auf der ILA in Schönefeld. Wie viele Flüge es über Berlin gibt, zeigt die Grafik rechts vom Tag des Fußball-Endspiels 2006. Jede Linie entspricht einem Flug.

© dpa/dpaweb

Flugrouten am BBI: Krach um den Krach

Der Streit um die Flugrouten geht weiter. Erstmals tagt am Montag die Fluglärmkommission. An Alternativvorschlägen mangelt es nicht. Ein Überblick zum aktuellen Stand der Entwicklungen.

Am Montag tagt in Schönefeld die Fluglärmkommission – zum ersten Mal, seit die Deutsche Flugsicherung (DFS) am 6. September ihren Routenvorschlag für die Flüge am künftigen Flughafen Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“ in Schönefeld vorgestellt hat, was eine fast beispiellose Welle von Protesten ausgelöst hat. Die wichtigsten Punkte fassen wir nachfolgend zusammen.

FLUGLÄRMKOMMISSION

Die Erwartungen an die Kommission sind hoch, doch ihr Einfluss ist gering. Nach dem Luftverkehrsgesetz kann sie vorschlagen, wie der Lärm durch Flugzeuge verringert werden kann. Lassen sich die Vorschläge aus Sicht der Flugsicherung nicht umsetzen, teilt diese dies dem Gremium unter Angabe der Gründe mit. „Das ist es dann aber auch schon“, dämpft der stellvertretende Vorsitzende der Schönefelder Lärmschutzkommission, Winfried Seibert, die zum Teil hohen Erwartungen. Seibert ist Rechtsanwalt in Köln und engagiert sich seit Jahren in der Bundesvereinigung gegen Fluglärm. Der Vorsitzende des Gremiums, der Blankenfelder Ortsvorsteher Bernd Habermann, rechnet nicht damit, dass heute schon alternative Routen diskutiert werden.

Mitglieder sind Vertreter lärmbetroffener Kommunen, Verwaltungen, Fluggesellschaften und Verbände, die Flugbereitschaft des Bundes, der Flughafen sowie die Bundesvereinigung gegen Fluglärm. Das Infrastrukturministerium von Brandenburg hat die Zahl der Mitglieder von 17 auf 34 verdoppelt. Bürgerinitiativen sind nicht vertreten.

FLUGSICHERUNG

Die Deutsche Flugsicherung GmbH ist ein bundeseigenes, privatrechtlich organisiertes Unternehmen mit 5800 Mitarbeitern, das dem Bundesverkehrsministerium untersteht. Der Versuch der Bundesregierung, die DFS zu privatisieren, war 2006 am Veto des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler gescheitert. Kaufinteressenten waren dem Vernehmen nach unter anderem die Lufthansa und der Flughafen in Frankfurt (Main). Die DFS sichert täglich bis zu 10 000 Flüge im deutschen Luftraum und überwacht den Verkehr am Boden. In Schönefeld wird derzeit ein 72 Meter hoher Kontrollturm für die DFS gebaut.

NEUE ROUTEN

Im Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau Schönefelds, dem eines der bisher aufwändigsten Anhörungsverfahren vorausgegangen war, sahen die Pläne vor, dass die Flugzeuge nach dem Start kilometerweit geradeaus fliegen. So schien klar zu sein, wer den Krach am Himmel abbekommen würde: vor allem die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow, über die die Maschinen in einer Höhe von etwa 600 Metern donnern sollten und die deshalb zum großen Teil im Lärmschutzgebiet liegt. Die endgültige Routenbestimmung ist aber vom Genehmigungsverfahren für den Flughafen entkoppelt.

Die Flugsicherung lässt die Flugzeuge jetzt nach dem Start voneinander abrücken und beruft sich dabei auf internationale Vorgaben für die vorgesehenen Parallelstarts von beiden Bahnen. Demnach muss dabei ein Winkel von mindestens 15 Grad erreicht werden. Nach den Plänen der Flugsicherung werden es aber im Westen mehr als 40 Grad. Dadurch bekommt Blankenfelde-Mahlow weniger Lärm ab, der Krach verlagert sich jedoch bei Starts von der Nordbahn gen Westen nun Richtung Berlin. Betroffen sind vor allem Lichtenrade, Lichterfelde und Wannsee in Berlin sowie Kleinmachnow, Teltow und Stahnsdorf im Umland. Im Osten liegt vor allem Zeuthen unter den neuen Routen. Wie laut es dort jeweils werden wird, ist noch nicht ermittelt, während die Werte für die bisher vorgesehenen Überfluggebiete rechnerisch exakt erfasst worden sind.

Wie viele Flüge es über Berlin gibt, zeigt die Grafik vom Tag des Fußball-Endspiels 2006. Jede Linie entspricht einem Flug.
Wie viele Flüge es über Berlin gibt, zeigt die Grafik vom Tag des Fußball-Endspiels 2006. Jede Linie entspricht einem Flug.

© dpa/ FBS

ALTERNATIVEN

Die Flugsicherung hat ihre Routen ausdrücklich als Vorschlag bezeichnet, der nun in der Lärmschutzkommission und mit dem Umweltbundesamt diskutiert werden solle. Inzwischen gibt es zahlreiche Änderungsvorschläge, die das Ziel haben, möglichst viele bewohne Gebiete zu umfliegen. Nach Ansicht der Flughafengesellschaft bleibt dabei ein unabhängiger Parallelstart, wie er gerichtsfest genehmigt ist, erforderlich. Bei einem Verzicht könnten auf dem neuen Flughafen nicht mehr als 40 Maschinen in der Stunde starten, sagt Flughafensprecher Ralf Kunkel. Weniger als heute in Tegel (30) und Schönefeld (20) zusammen. Schon zur Eröffnung seien nach den Plänen der Fluggesellschaften aber bis zu 49 gleichzeitige Starts erforderlich – morgens zwischen 8 Uhr und 9 Uhr sowie abends von 20 Uhr bis 21 Uhr. Von 2015 an seien solche unabhängigen Starts auch zwischen 12 Uhr und 14 Uhr nötig. Bei einem Verzicht auf Parallelstarts wäre die geplante Drehkreuzfunktion gefährdet und Wachstum ausgeschlossen. Kunkel forderte erneut „maßgeschneiderte Lösungen. Nach Tagesspiegel-Informationen gibt es zum Beispiel in München 18 verschiedene Abflugverfahren – auch mit Parallelstarts.

JETZIGE ROUTEN

Auch heute kurven Flugzeuge nach dem Start in Schönefeld oder Tegel in unterschiedlichen Höhen über die Stadt. Besonders voll am Himmel war es am Tag des Endspiels bei der Fußball-Weltmeisterschaft am 22. Juni 2006, als auch noch der Flughafen Tempelhof in Betrieb (siehe Grafik) war. Annahmen von Anwohnern, in den vergangenen Monaten habe der Flugverkehr über der Stadt erheblich zugenommen, weil Routen geändert worden seien, wies die Flugsicherung schon zurück, bevor sie ein Sprechverbot von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erhielt.

DER BUNDESMINISTER

In den Routenstreit hat sich Ramsauer am 28. Oktober eingemischt und die Flugsicherung aufgefordert, zu den alten Plänen zurückzukehren, auf die sich die Anwohner bisher verlassen hätten. Nur so könne das Vertrauen in die Politik wiederhergestellt werden. Nun kann der Minister der ihm unterstellten Behörde zwar keine Weisungen erteilen, und zu Flugrouten, bei denen Sicherheit an erster Stelle steht, erst recht nicht. Doch wird sich eine Behörde, auch wenn sie privatrechtlich organisiert ist, kaum über ein solches Minister-Ansinnen hinwegsetzen. Ähnlich klare Ansagen in strittigen Fällen hat die ebenfalls privatrechtlich organisierte Bahn AG übrigens noch nicht erhalten. Und am Schluss hat der Minister doch das letzte Wort: Die Routen werden endgültig vom Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung festgelegt, das dabei auch prüft, ob die DFS planungsrechtliche Vorgaben beachtet hat. Und diese Behörde ist weisungsgebunden.

DIE ZUKUNFT

Egal, wie die Routen festgelegt werden: Verlassen können sich die Anwohner darauf nicht. Die Vorgaben sind nicht in Stein gemeißelt, sondern sie können stets dem Bedarf angepasst werden.

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