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Kanzlerbahn: Der lange Weg zur kurzen U-Bahn

Wunschtraum der Verkehrsplaner: eine U-Bahn-Linie von Moabit zum Alexanderplatz. Jetzt wird er wahr – zumindest teilweise. Am Sonnabend geht der viel diskutierte Abschnitt Brandenburger Tor – Bundestag – Hauptbahnhof in Betrieb. Die Züge fahren dann im Zehn-Minuten-Takt. Der Weg dorthin war kostspielig und alles andere als geradlinig

In der geteilten Stadt Berlin plante man im Westen den U-Bahn-Bau weiter, als gebe es die Mauer nicht. So sollte die U 5 vom Alexanderplatz über Moabit bis zum Flughafen Tegel verlängert werden. Beim Bau der heutigen U 9 (Osloer Straße–Rathaus Steglitz) wurde in den sechziger Jahren der Bahnhof Turmstraße als Kreuzungsbahnhof mit der U 5 ausgebaut; in den siebziger Jahren entstand beim Bau der U 7 nach Spandau die Station Jungfernheide als doppelstöckige Umsteigestation zur weiter geplanten U 5.

PROJEKT ALEX–HAUPTBAHNHOF

Nach der Wende beschlossen der Bund und der Senat Anfang der neunziger Jahre, den Eisenbahnknoten Berlin auszubauen. Die bestehende Ost-West-Eisenbahnstrecke sollte durch eine Nord-Süd- Verbindung im Tunnel ergänzt werden. Am Schnittpunkt beider Strecken war der neue Hauptbahnhof vorgesehen, damals noch nach dem Vorgängerbau an dieser Stelle Lehrter Bahnhof genannt. Zum neuen zentralen Bahnhof sollte eine S-Bahn (S 21) und die U 5 führen. 1994 vereinbarten der Bund und Berlin im Hauptstadtvertrag, die Bahn bis zum Jahr 2002 vom Alexanderplatz zum heutigen Hauptbahnhof zu bauen. Das Vorhaben war von Anfang an umstritten. Fast parallel zur U-Bahn gibt es bereits die Ost-West- Stadtbahn der S-Bahn und die U-Bahn-Linie 2 von Pankow nach Ruhleben. Die Nutzen- Kosten-Untersuchung wurde für die Gesamtstrecke vom Alex bis zur Turmstraße vorgenommen, obwohl von Anfang an geplant war, zunächst lediglich bis zum Hauptbahnhof zu bauen. Die Untersuchung ergab einen Wert von 1,79. Ab mehr als 1 gilt ein Bauen als wirtschaftlich. Für den Abschnitt nur vom Alexanderplatz bis zum Hauptbahnhof wäre der Wert schlechter gewesen. Auf eine solche gesonderte Berechnung haben der Bund und Berlin jedoch verzichtet. Der Bau vom Alexanderplatz zum damaligen Lehrter Bahnhof sollte umgerechnet rund 650 Millionen Euro kosten.

DIE „KANZLERBAHN“

1995 stellte Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) die Pläne für die Bahnhöfe der U 5 vor, entworfen von renommierten Architekten. Am Bahnhof Platz der Republik (heute Bundestag) war nach Plänen von Axel Schultes, der auch das Kanzleramt entworfen hat, eine großzügige Verteilerebene vorgesehen – mit direkten Zugängen in das Gebäude des Bundestages und zum Bundeskanzleramt. Schnell entstand so der Begriff „Kanzlerbahn.“ Er hält sich bis heute, obwohl kein direkter Zugang zum Kanzleramt entstanden ist.

DER U-BAHN-BAU

Mit dem Bau der U-Bahn wurde Mitte der neunziger Jahre im Westen begonnen, weil der Tunnel gleichzeitig mit den Röhren der Nord-Süd-Fernbahn und des Straßentunnels am Hauptbahnhof gebaut werden sollte. Doch schon im Oktober 1995 wollte der Senat die Arbeiten an der U-Bahn stoppen lassen, nachdem er schon zuvor auf den Bau der S 21 verzichtet hatte. Die Röhren für die U-Bahn sollten lediglich vom Hauptbahnhof bis zum Reichstag im Rohbau erstellt werden. Hier wurde der Senat aber vom Bund zurückgepfiffen. Der damalige Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) setzte durch, dass der Tunnel zumindest bis zum Brandenburger Tor gebohrt wurde. Der Bund wollte nicht, dass es später vor dem Reichstagsgebäude erneut eine Baugrube geben würde, falls der Senat eines Tages doch die U-Bahn weiterbauen lassen sollte. Am 9. September 1998 wurde der Grundstein für den Bau des Hauptbahnhofs – und damit auch für den Bau der „Kanzlerbahn“ Richtung Alex – gelegt. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) war übrigens nicht dabei.

HALTESTELLE BRANDENBURGER TOR

Im Sommer 2001 legte der Senat den Weiterbau vom Brandenburger Tor zum Alexanderplatz doch auf Eis. Auch im fertigen Tunnelstummel sollten keine Züge fahren. Aber  erneut griff der Bund ein und drohte, ohne Zugverkehr werde er das Geld zurückfordern, das er schon in die Erde gesteckt hatte – immerhin fast 150 Millionen Euro. 2004 einigten sich der Bund und Berlin, zur Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer 2006 Züge zwischen dem Hauptbahnhof und dem Brandenburger Tor als U 55 fahren zu lassen. 28 Millionen Euro waren für den Bau des Bahnhofs Brandenburger Tor veranschlagt.

DER PROBLEM-BAHNHOF

Im Sommer 2004 begannen die Arbeiten. Aber Findlinge und in die Baugrube eindringendes Wasser verzögerten den Bau. Der Boden war vereist worden, um das Wasser fernzuhalten. Trotzdem gab es Lecks. Auch die Planung wurde geändert. Weil zunächst auf der kurzen Strecke auch nur kurze Züge fahren werden, wollte die BVG den Bahnhof zunächst nur halb so lang wie üblich bauen. Erst im Herbst 2004 entschied man sich doch für einen „großen Bahnhof“ in der üblichen Länge. Integriert wird eine Ausstellung zur Geschichte der Mauer. Zur Weltmeisterschaft 2006 wurde man nicht fertig. Nur an der Oberfläche verschwand die Baustelle vorübergehend – bis das Sommermärchen Fußball-WM vorbei war.

GROSSE OPER

Immerhin konnten die Bahnhofsrohbauten vorübergehend anders genutzt werden – für Ausstellungen oder Empfänge. 2008 feierten Tausende von Zuschauern die Aufführung von Mozarts Zauberflöte im Bahnhof Bundestag. Der Konzern Hochtief machte am Ende für den Bau des Bahnhofs Brandenburger Tor Kosten in Höhe von mehr als 50 Millionen Euro geltend. Die BVG will maximal acht Millionen Euro als Mehrkosten akzeptieren. Der Streit dürfte weitergehen.

KLEINE ZWISCHENBILANZ

Fest steht immerhin, dass die Züge vom Sonnabend an fahren werden – im Abstand von zehn Minuten. Am ersten Tag gibt’s Freifahrten. Der Bau der Stummel- U-Bahn U 55 wird zu diesem Zeitpunkt rund 320 Millionen Euro gekostet haben. Weitere 433 Millionen Euro sind für den Weiterbau der Trasse bis zum Alexanderplatz vorgesehen, der 2017 abgeschlossen sein soll. Dann wird die U 55 zur U 5 – wie dies schon so lange geplant war.

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