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© ddp

Nahverkehr: Die BVG muss für S-Bahn-Desaster zahlen

In diesem Jahr sind schon über 55.000 Züge der S-Bahn ausgefallen. Die dadurch verlorenen Fahrgelder fehlen auch anderen Unternehmen. Auch für die Fahrgäste gibt es nichts Positives zu berichten: Das Verkehrschaos bei der S-Bahn dauert weiter an.

Nicht mit der S-Bahn, sondern mit der S-Klasse kam der Konzernvorstand Ulrich Homburg am Mittwoch früh ins Abgeordnetenhaus gefahren. Dagegen hatte S-Bahn-Betriebsratschef Heiner Wegner die Öffentlichen genommen – und kam prompt zu spät. Damit war die Problemlage bereits sehr schön illustriert.

Es folgten drei Stunden Sondersitzung des Verkehrsausschusses, in denen die Abgeordneten aller Fraktionen vor lauter Wahlkampfgetöse den geladenen Gästen nur wenig Zeit zum Antworten ließen. Dennoch kam einiges Erhellende und manches Erschreckende zutage. So schilderte Hans-Werner Franz, Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), wie die unbeteiligten Verkehrsunternehmen fürs Versagen der S-Bahn bluten: Die übers Jahr eingenommen Fahrgelder – im Tarifgebiet ABC etwa 900 Millionen Euro – würden anteilig an die Unternehmen ausgeschüttet, je nach ihrem Anteil am Gesamtverkehr. Wenn nun die S-Bahn ihre Kunden massenhaft vergrault, ist am Ende auch für die mehr als ein Dutzend „Unschuldigen“ von der BVG über den Potsdamer Verkehrbetrieb bis zur Barnimer Busgesellschaft weniger im Topf. Die Größenordnung kann der VBB aber noch nicht beziffern, zumal die Bahn noch immer keine Prognose zur Besserung wagt. Auch Betriebsratschef Wegner mochte weitere Katastrophen nicht ausschließen, schilderte aber die Vorgeschichte: Wer allzu deutlich auf Mängel hinwies, sei von den – noch immer im Konzern tätigen – Chefs eingeschüchtert und mit Rauswurf bedroht worden. „Aber nicht schriftlich. Da kann intern und extern suchen, wer will – sie werden nichts finden.“ Das ging an Homburgs Adresse, der einmal mehr konsequente Aufklärung ankündigte.

Nach Auskunft von VBB-Chef Franz sind 2009 schon mehr als 55 000 S-Bahn- Fahrten ausgefallen. Und nicht nur die von den Brems- und Radproblemen betroffene Baureihe 481 stehe großenteils still, sondern auch die Hälfte der anderen beiden Baureihen 480 und 485. Franz ging mit dem Bahn-Konzern hart ins Gericht: Bereits der Unfall Ende 2006 am Südkreuz mit 33 Verletzten sei „eindeutig wegen mangelnder Wartung“ geschehen. 2007 folgten massenhafte Ausfälle wegen Fahrermangels, mindestens ein Brand wegen versäumter Wartung und schließlich das Katastrophenjahr 2009 – trotz wiederholter Warnungen durch den VBB.

Während Franz redete, changierte der Kopf von Homburg ins Dunkelrot. Allein: der Bahn-Vorstand hatte nichts Neues zu berichten. Weshalb SPD-Mann Christian Gaebler ihn direkt anging: „Wenn Sie heute keine klare Aussage zur Entschädigung machen, werde ich Sie als Abo-Kunde wegen Nichterfüllung des Beförderungsvertrages verklagen.“ Da Homburg die Frage offenließ, wird Gaebler klagen müssen.

Auch die Fragen der Linken Jutta Matuschek blieben unbeantwortet: Ob es stimme, dass die Bahn-Tochter DB Station und Service für den Halt einer S-Bahn im Hauptbahnhof so viel kassiere wie für einen ICE? Ob wegen der stark erhöhten Trassenpreise der Bahn-Tochter DB Netz für eine S-Bahn-Fahrt über die Stadtbahntrasse 115 Euro kassiert würden? Ob die S-Bahn zuletzt 130 Millionen Euro bei DB Netz abliefern musste? Nichts dazu von Homburg. Stattdessen war es der VBB-Chef, der von einer „Gelddruckmaschine“ im Bahn-Konzern sprach.

Verkehrssenatorin Ingeborg Junge- Reyer (SPD) will den Vertrag des Landes mit der S-Bahn nachverhandeln, aber nicht kündigen. Seit Jahresbeginn habe das Land 27 Millionen Euro einbehalten, und für die Zeit ab 2017 „prüfen wir alle Varianten einer Neuausschreibung“. Die empfiehlt auch der VBB-Chef und verweist auf die jüngste große Ausschreibung in der Region, bei der man „die Monopolrendite der Bahn um 50 Millionen Euro schmälern“ konnte. Stefan Jacobs

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