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Öffentlicher Nahverkehr: S-Bahn ist nur für Milliardäre zu haben

Ein neuer Betreiber der Stadtbahn müsste Züge für 2000 Millionen Euro anschaffen. Experten sehen die Chancen für Interessenten sinken, da sich der Senat bis 2011 Zeit lässt.

Der Senat will erst Ende 2011 entscheiden, wer nach dem Auslaufen des Verkehrsvertrags Ende 2017 den Betrieb der S-Bahn übernehmen soll. Doch so viel Zeit bleibt nach Ansicht von Kritikern nicht. Wenn der Betrieb auch nach 2017 laufen soll, müsste die Entscheidung im nächsten Frühjahr fallen, um Zeit für den notwendigen Fahrzeugkauf zu haben, sagt der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz. Er hat eine „persönliche Denkschrift“ zur Lage der S-Bahn verfasst.

Um Krisen wie in diesem Jahr zu vermeiden, müsse ein anderes, zuverlässigeres Modell für den Betrieb entwickelt werden, schreibt Franz. Der Berliner Bahnchef Ingulf Leuschel kontert, es sei wenig hilfreich, ein bewährtes System aufgrund der derzeitigen Situation infrage zu stellen.

Der Senat kann die Bahn AG erneut beauftragen, die S-Bahn zu betreiben. Das Land kann den Auftrag aber auch ausschreiben. Dabei kann der Senat wählen, ob er die Fahrzeuge selbst beschafft oder den Kauf dem Betreiber überlässt.

Der Senat prüfe derzeit alle Optionen, sagte die Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung, Manuela Damianakis. Dabei gebe es keinen Zeitdruck; die Entscheidung werde wie vorgesehen Ende 2011 fallen. Mit jedem Monat, der verstreiche, steigen nach Ansicht von Franz die Chancen der Bahn, dass sie den bisher für sie sehr profitablen Betrieb der S-Bahn behalten kann. Wegen der erforderlichen Zeit bei der nötigen Fahrzeugbeschaffung dauere ein Wettbewerbsverfahren nämlich rund sieben Jahre.

Die S-Bahn hat für den Betrieb derzeit 632 sogenannte Viertelzüge, von denen wegen der verschärften Kontrollen nach dem Bruch eines Rades und unterlassener Wartung bei den Bremsanlagen nur gut 400 einsetzbar sind. Doch auch ohne dieses Desaster reicht diese Zahl von Zügen nach Ansicht von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) für einen ordentlichen Betrieb nicht aus.

Ein neuer Betreiber müsste daher rund 700 neue Viertelzüge beschaffen. Franz veranschlagt die Kosten mit rund zwei Milliarden Euro. Auch die Produktion der Züge dauert mehrere Jahre. Die 500 Viertelzüge der Baureihe 481, die derzeit Probleme machen, sind zwischen 1996 und 2004 geliefert worden. Sollte es doch zu einer Ausschreibung kommen, schlägt Franz deshalb vor, 2017 zunächst nur ein Teilnetz zu vergeben, dem 2019 und 2022 weitere folgen könnten. So wäre es einfacher, die Züge zu beschaffen. Mindestens bis 2022 würde die Bahn AG zumindest in einem Netzteil weiterfahren.

Aber auch sie braucht bald Klarheit. Bis 2017 will sie die Reihe 481 umfassend modernisieren und die älteren Baureihen ausmustern. Neue Bahnen werden aber nur bestellt, wenn klar ist, dass die Bahn auch weiter fahren darf.

Ziemlich sicher kann sie sein, dass die Ende des Jahres auslaufende Betriebsgenehmigung durch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) verlängert wird.Das Verfahren laufe derzeit noch, sagte EBA-Sprecher Ralph Fischer. Dabei gebe es aber keine grundsätzlichen Bedenken.

Das Amt beobachte den Betrieb jedoch weiter sehr intensiv. Da noch nicht alle Themen abgearbeitet seien, könne man nicht ausschließen, dass es weitere Auflagen gebe, die den Betrieb erneut einschränken würden, sagte Fischer.

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