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Offensive im Bahnhof: Polizei und BVG geben Tipps für mehr Zivilcourage

Wegen der Serie von Gewalttaten im öffentlichen Nahverkehr werben Polizei und BVG in Bahnhöfen für mehr Zivilcourage. Auch ihr Faltblatt findet Interesse.

Ungewöhnlicher Einsatz an der Bahnsteigkante. Uniformierte Polizisten sprechen wartende Fahrgäste an und drücken ihnen Faltblätter in die Hand, jovial oder ausgesucht höflich, je nach Alter des Gegenübers. Doch viele reagieren irritiert. „Was’n los?“, fragt einer. „Wenn Polizei aufkreuzt, muss doch was passiert sein.“ Fehlanzeige. Die meist jungen Beamten sind am Dienstagnachmittag im Bahnhof Alexanderplatz sowie am Bahnhof Zoo und im Ostbahnhof im Rahmen des „Präventionskonzeptes zum Schutz vor Gewalt im Öffentlicher Nahverkehr“ unterwegs. Diese gemeinsame Aktion von BVG, Polizei, S-Bahn und der Deutschen Bahn findet zwar schon zum 8. Mal statt, doch nach den heftigen Gewaltvorfällen der vergangenen Monate wurde sie erweitert. Und stößt auch beim Publikum auf etwas mehr Interesse.

„Toll, dass die Polizei auf die Leute zugeht“, sagt Karim Ben Lassoued (21), Krankenpfleger aus Steglitz. Er eilt von der U8 zur S-Bahn hinauf, aber für die Tipps der jungen Polizistin, die ihm zusammen mit einem BVG-Mann unterwegs entgegentritt, nimmt er sich ein paar Minuten Zeit. „Der rote Knopf neben der U-Bahntür“, erklärt sie, „der ist gar keine Notbremse, wie viele denken. Wenn Sie den drücken, bekommen Sie direkt Kontakt zum Fahrer.“ Randaliert ein Fahrgast oder greift er andere an, holt der Mann im Führerstand dann sofort die Polizei zum nächsten Haltepunkt.

Mehr als dreißig Beamte gehen an diesem Präventionstag im Bahnhof Alexanderplatz auf die Berliner zu. Auch ihr Faltblatt findet Interesse. Motto: „Weggeschaut. Ignoriert. Gekniffen – Wie verhalte ich mich in Gewaltsituationen, ohne mich selbst in Gefahr zu bringen?“ Manchmal helfe schon ein lautes Wort, um die Täter einzuschüchtern, steht darin. Man solle niemals den Helden spielen, aber Mitstreiter suchen und Umstehende zur Mithilfe auffordern. Zugleich werben die Beamten für Anti-Gewalttrainings-Kurse und die „Aktion Tu Was“ der Berliner Polizei (siehe Kasten).

Erst in der Nacht zum Dienstag gab es einen erneuten Vorfall, diesmal am Bahnhof Ostkreuz. Sieben Punks schlugen und traten laut Polizei „ohne ersichtlichen Grund“ auf einen 25-Jährigen ein. Er erlitt leichte Verletzungen. Und gestern randalierte eine Frau erst im U-Bahnhof Kurfürstendamm und später in der Linie U9. Dabei schlug sie einer 57-Jährigen aufs rechte Auge und kratzte einen 21-Jährigen. Sie flüchtete unerkannt.

Damit setzte sich die Serie von Gewalttaten in Berlins Bahnhöfen fort. Die Übergriffe, bei denen die Tatverdächtigen ihren Opfern in den U-Bahnhöfen Lichtenberg und Friedrichstraße jeweils hemmungslos gegen den Kopf traten sowie die Diskussionen über mehr Sicherheit, haben aber offenbar einiges ausgelöst.

„Unsere Präventionsaktion findet mehr Resonanz“, heißt es bei der Polizei. BVG-Sprecherin Petra Reetz bestätigt, früher habe sich kaum jemand für die gemeinsame Veranstaltung interessiert. Seit den Berichten über die Prügel-Attacken und der Debatten seien die Leute aufmerksamer geworden. Fahrgäste würden auch kleinere Zwischenfällen melden oder Hilfe über die Notrufsäulen holen.

Die Zahlen der Körperverletzungen im öffentlichen Nahverkehr sind zwar von 4566 Taten im Jahr 2009 auf 4446 im Jahr 2010 zurückgegangen, doch das subjektive Unsicherheitsgefühl bei den Fahrgästen hat sich nach den verheerenden Übergriffen im Februar und April offenbar verstärkt. Der Senat musste handeln. Gemeinsam mit der Polizei und der BVG wurde ein neues Sicherheitskonzept vorgestellt: Langfristig sollen 200 neue Polizeibeamte für mehr Sicherheit im Personennahverkehr eingestellt werden. Zudem laufen wieder „Doppelstreifen“, bestehend aus einem BVG-Mitarbeiter und einem Polizisten auf Schwerpunktbahnhöfen.

Außerdem patrouillieren zusätzliche Polizeikräfte abends und nachts auf ausgewählten Bahnhöfen. Auch die BVG will bis September 20 neue Mitarbeiter für die Leitzentrale einstellen. Hier sitzt nun auch ein Polizist vor den Monitoren, die die Bilder der Überwachungskameras zeigen. Sieht er die Straftat, kann er die Täter direkt über ein Mikrofon ansprechen.

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