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Alle guten Vorsätze bei der Berliner S-Bahn haben nichts genützt - beim ersten Schnee beginnen die Probleme.

© dapd

S-Bahn-Chaos: Die Kunden bleiben auf der Strecke

Keine Ende der Ausfälle und Verspätungen bei der S-Bahn in Sicht. Die Bauarbeiten am Ostkreuz verschärfen zusätzlich die Probleme.

Die Deutsche Bahn gab sich realistisch: „Keine Verbesserung zu Freitag“, sagte ein Sprecher am Samstagabend. Die Zahl der verfügbaren Waggons lag auch gestern nur bei 340, ein Viertel weniger als für den derzeit ohnehin ausgedünnten Fahrplan erforderlich. Eingefrorene Weichen behinderten weiter den Betrieb, es gab „Verzögerungen im gesamten Netz“. Zudem bremsten diverse Bauarbeiten das Fortkommen. Die schlechte Nachricht: „Wegen der angespannten Fahrzeugverfügbarkeit wird es auch in den kommenden Tagen Einschränkungen geben.“

Auch im Fern- und Regionalverkehr gab es gestern lange Verspätungen, auch hier verursacht durch eingefrorene Weichen. Wetterbedingte Streckensperrungen in Sachsen führten zu Rekordverspätungen von mehr als drei Stunden bei einem Zug aus Prag. In Berlin stoppten zwei Schienenbrüche in Spandau und zwischen Grunewald und Charlottenburg den Verkehr. Für jeweils knapp zwei Stunden war mittags auf diesen beiden Strecken nur ein Gleis befahrbar. Mehrere Regionalzüge fielen ganz aus.

Die S-Bahn-Kunden reagierten verärgert. Bibbernd und zitternd drängelten sie sich am Ostkreuz zwischen den Schneebergen auf dem Gleis. Nach jeder neuen Durchsage über Verspätungen und gestrichene Züge reagiert die Menge mit Kopfschütteln. Die groß angekündigte Charmeoffensive der S-Bahn, mit verlängerten Monatskarten und Einzelkarten, die am Wochenende als Tagesticket gelten, ging im Frust völlig unter. „Was soll mir die Tageskarte denn bringen, wenn nichts fährt?“, fragt eine Frau. „Freiwillig steige ich heute nicht mehr in die Bahn.“

Die S2 fuhr nur im 20-Minuten-Takt zwischen Bernau und Blankenfelde. Ebenfalls nur drei Mal in der Stunde verkehrte die S3 zwischen Erkner und Rummelsburg. Die Linien S46 und S47 fuhren verkürzt. Durch die „Witterung und aufgrund von Bauarbeiten“ komme es immer noch zu Einschränkungen und Verzögerungen, sagte ein Bahnsprecher. Durch den „Wartungsstau“ in den Werkstätten fielen seit Donnerstag Dutzende Züge aus. Am stärksten zu spüren waren die Probleme am Samstag am Ostkreuz, da hier am Nachmittag die letzten tonnenschweren Brückenteile des Bahnhofneubaus mit einem Spezialkran eingesetzt werden sollten. In alle Richtungen gab es nur Pendelverkehr, auf dem östlichen S-Bahnring musste in Busse umgestiegen werden. Betroffen waren die Linien S3, S41/42, S5, S7, S75, S8 und S9.

Die Wut der Fahrgäste bekamen vor allem die Abfertiger am Gleis zu spüren. „Drei Stunden habe ich von Tegel hierher gebraucht“, schimpft ein Geschäftsmann durch die offene Tür des Abfertigungshäuschens. „So geht das schon den ganzen Morgen“, sagt der Abfertiger. Die Menschentraube um das kleine Backsteinhaus wird nicht kleiner. „Manche werden richtig aggressiv. Fragen Sie mal meine Kollegin, die schmeißt gleich alles hin.“ Das Problem sei, dass die meisten Fahrgäste sich nicht vorher im Internet über aktuelle Störungen informieren würden. „Wir sind dann die Doofen für die.“

Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb bedauert, dass sich der Volkszorn nun wieder an den S-Bahnern entlädt: „Die noch verbliebenen Aufsichten sind für uns die Helden. Die machen ihren Job und kriegen alles ab.“ Gerade jetzt im allgemeinen Informations- und Fahrplanchaos zeige sich, „dass die Eisenbahner an den Stationen kein Luxus sind, sondern wirklich gebraucht werden“. Doch Personal ist dieser Tagen die Ausnahme. Stattdessen spulen die elektronischen Anzeigen ihr Standardprogramm ab. Selbst Züge, die gar nicht fahren, werden angezeigt und verschwinden aus der Liste, wenn ihre Abfahrtszeit gekommen ist. Nur wer Glück hatte, bekam eine Ansage zu hören.

Aber auch für diejenigen, die mehr Zeit eingeplant haben, wurde es knapp. „Wenn ich den Flug nicht kriege, drehe ich durch“, sagt Anne Lehmann. Zwei Stunden hat sie für die Fahrt nach Schönefeld eingeplant. Es geht in den Urlaub nach Spanien. Normalerweise braucht sie für die Strecke nicht einmal 40 Minuten. Jetzt ist sie schon eine Stunde unterwegs. Ein ausländischer Tourist ist über die Bahnprobleme verwundert. „Wegen dem bisschen Schnee bricht hier alles zusammen?“, fragt er. „Dann kommt mal zu uns nach Kanada. Da schneit es richtig.“ Jörn Hasselmann/ Johannes Radke

Aktuelle Informationen über Störungen: www.s-bahn-berlin.de oder 297 473 333

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