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© dpa-Zentralbild

S-Bahn: Halbe Kraft voraus

Die Kunden müssen noch immer lange warten, aber die Züge fahren regelmäßig. Am Dienstag soll das Angebot für die Leichtathletik-WM geklärt werden.

Das Leben ist zurückgekehrt auf die Bahnhöfe zwischen Spandau, Wartenberg und Schönefeld, die zwei Wochen lang verwaist waren. Pünktliche Züge, aktuelle Fahrpläne, dazu meist verständliche Durchsagen und korrekte Anzeigen: Der Neustart der S-Bahn verlief wie geplant.

Geschäftsführer Peter Buchner steht am Montagmorgen auf dem Bahnhof Hackescher Markt und schildert den Stand der Dinge: Statt zuletzt 165 Doppelwagen seien nun 229 verfügbar. Das ist immer noch deutlich weniger als die Hälfte des Fuhrparks. Aber genug, um auf den meisten Strecken alle 20 Minuten einen Zug mit sechs Wagen fahren zu lassen.

Buchner berichtet vom neu organisierten Ablauf in den Werkstätten: Jeder Zug werde gleich komplett untersucht, also mit Wirbelstrom- und Ultraschallmessungen plus Austausch der Achsen, falls nötig. So wird aus mehreren kleinen eine große Durchsicht, die den Zug zumindest für eine Woche einsatzfähig macht – dann folgt der nächste Check. 100 zusätzliche Techniker von Bahn, BVG, Waggonhersteller Bombardier und anderen Firmen helfen mit. Allerdings haben sich die Werkstattleute zunächst auf die Züge mit relativ geringer Laufleistung konzentriert, weil sie mit denen weniger Arbeit haben. Was jetzt noch auf den Abstellgleisen wartet, erfordert größeren Aufwand.

Hinter Buchner stoppt die S 5 zum Olympiastadion. Sie ist überfüllt, weil zuvor – laut Bahn aus Versehen – eine 13 Minuten lange Lücke im Fahrplan klafft. Nächste Woche soll sie gestopft werden. Heute berät die Bahn über den Fahrplan, der auch zur Leichtathletik-WM gelten soll. Morgen steht ein Gespräch mit dem Betriebsrat über die Werkstätten an. Zur Entschädigung der Fahrgäste sagt Buchner: Bis auf einen Gratismonat für Abonnenten und Jahreskartenbesitzer sei nichts entschieden. Für jene, deren Fahrradmonatskarten wegen ausgefallener oder überfüllter Züge praktisch wertlos sind, hat Buchner nur den vagen Tipp, dass man sich „als extrem Betroffener“ ans Kundencenter wenden solle.

Der Verkäufer im Kiosk berichtet von Umsatzeinbußen zwischen 60 und 70 Prozent während der zweiwöchigen Bahnhofsschließung. Da die Bahn sich nicht melde, überlege er, ob er sich jetzt an den Konzern wende. Die Fahrgäste haben andere Sorgen: Einer klagt, dass die S 9 zum Flughafen Schönefeld jetzt zu anderen Zeiten fährt, was für den Abschnitt zwischen Treptower Park und Baumschulenweg bedeutet: Zwei Züge in zwei Minuten, dann 18 Minuten nichts. In Grünau verschweigen Pläne und Anzeigen (Durchsagen gibt es ohnehin nicht), dass die S 8 hier nicht fährt. Und vom Ostbahnhof meldet der Verkehrsverbund VBB vereinzelt falsch beschilderte Züge sowie fehlende Hinweise auf den Regionalverkehr, der oft die schnellere Alternative zur S-Bahn ist.

Gerade wer nach Wannsee und Potsdam will, ist mit den roten Doppelstockzügen besser dran. Der Ersatzverkehr in den schmalen Straßen zwischen Schlachtensee und Wannsee klappt zwar passabel, kostet aber 20 Minuten extra, bis es im Pendelzug weitergeht nach Potsdam. Und weil am Wannsee vor der Treppe das wohlbekannte S-Bahn-Utensil – die rot-weiße Absperrkette – fehlt, verirren sich immer wieder Touristen auf den stillgelegten Bahnsteig. So wie die drei Holländer, die gerade dem Automaten einen „Anschlussfahrausweis“ abgetrotzt, aber die Durchsagen nicht verstanden haben. Eines zeigt auch dieser Montag wieder: Die Zeiten, in denen Informationen nur auf Deutsch ausreichten, sind vorbei.

Bei der BVG waren die extra verlängerten Züge am Montag unvermindert frequentiert – und bleiben deshalb im Einsatz. „Die Leute brauchen erfahrungsgemäß ein paar Tage, um sich an ihre Wege zu gewöhnen“, heißt es.

Ob die S-Bahn ihre Probleme nun dauerhaft in den Griff bekommt, beobachtet auch der VBB genau. Geschäftsführer Hans-Werner Franz hatte dem Bahnchef Rüdiger Grube zu dessen Amtsantritt im Mai – also vor dem großen Chaos – auf zwei Seiten den Niedergang der S-Bahn beschrieben . Nach fünf Wochen kam Grubes Antwort: Ein allgemeiner Dank, aber kein Wort zu Franz’ Kritik.

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