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SEINE TEMPELHOF-VISION: Ein Museum für den Mythos

In 6 Tagen schließt der Flughafen Tempelhof. Der Hamburger Architekt Volkwin Marg sorgt sich um das einmalige Denkmal und sieht einen idealen Ort für ein Luftfahrtmuseum

Er spart nicht an Superlativen, wenn er vom Flughafen Tempelhof spricht. „Das ist der geschichtsträchtigste Bau des 20. Jahrhunderts schlechthin“, sagt Volkwin Marg. Dann ballt er beide Fäuste, als er erklärt: „Es wäre ein Skandal, wenn sich die Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung entledigte und Berlin mit diesem historischen Erbe im Stich ließe.“ Wer so redet, hat Großes vor: „Tempelhof soll ein internationales Luft- und Raumfahrtmuseum werden.“

Marg hat eine Affinität zur Fliegerei. Zusammen mit Meinhard von Gerkan begann er seine Architekten-Karriere Anfang der 70er Jahre mit den Entwürfen für den Flughafen Tegel. Und nun bauen sie wieder einen Flughafen für Berlin; die Pläne für Schönefeld stammen von ihnen. Er sitzt in seinem Besprechungszimmer mit Panoramablick auf den Hamburger Containerhafen, und auch hier bleibt das Thema Fliegen in Sichtweite: Nahebei liegt die Luftwerft von Airbus. Aber auch privat lässt ihn die Faszination des Fliegens nicht los. Mit 65 hat er seinen Flugschein gemacht – in dem russischen Doppeldecker Antonov 2.

Mehr noch als dieses Faible ist es jedoch der bisherige Umgang mit dem Denkmal Tempelhof, der ihn umtreibt. „Geschichte kann man nicht bewältigen, indem man ihre Zeugnisse zerstört“, sagt Marg. Genau das aber provozierten die aus seiner Sicht richtungslosen Debatten um die Zukunft des Flughafens: „Richtige Nutzungen erhalten ein Baudenkmal, falsche machen es kaputt.“

Er habe gar nichts dagegen, dass aus dem Tempelhofer Feld die grüne Lunge eines „Luftbrückenparks“ wird und an dessen Rändern Platz für Wohnen und Gewerbe geschaffen wird. Auch die Gebäudeteile zum Platz der Luftbrücke hin könnten in Hotels, Büros oder Behörden verwandelt werden. Er will jedoch das Wesen des Denkmals bewahren – die Identität als Lufthafen. Genauso, wie er beim Umbau des Olympiastadions für den sensiblen Umgang mit dem historischen Erbe kämpfte, so agitiert er für ein stufenweise wachsendes Museum.

Tempelhof ist in seinen Augen weltweit einmalig: Kein anderer Flughafen könne einen solchen Mythos für sich in Anspruch nehmen und darüber hinaus für Ausstellungen eine solche Einheit aus Hangars, Vorfeld und intaktem Tower und Haupthalle bieten. Selbst das Raum- und Luftfahrtmuseum in Washington, das binnen weniger Jahre fünf Millionen Besucher anlockte, wirke gegen das historische Ensemble von Tempelhof geradezu bescheiden.

Anders als beim Humboldtforum, wo für viel Geld eine Hülle für ein Thema erst gebaut werden müsse, seien die Hülle und das Thema in Tempelhof schon vorhanden. Auch an Ausstellungsstücken mangele es nicht. Marg schwebt eine Kooperation der Hubschrauber- und Flugzeugsammlung in Gatow, des Deutschen Technikmuseums, des Alliiertenmuseums und der Lufthansa vor. Und er setzt auf das Engagement von Sammlern und Flugfans. Marg ist überzeugt, dass es genügend Enthusiasten gibt, auch einflussreiche und vermögende, die nur animiert werden müssen.

Die Sammlung und der Aufbau des Museums brauche viele Jahre und müsse sich in Entwicklungsstufen vollziehen. Am besten, sagt Marg, man begänne mit der zentralen Halle und dem Vorfeld, und dann Zug um Zug wachsend mit den Hangars rechts und links. Die äußersten Hangars könnten so lange befristet untervermietet werden. Eine der beiden Landebahnen müsse funktionstüchtig für den Museumsbetrieb erhalten bleiben, und ein Rollweg zum Vorfeld auch. Und mittendrin könnte der Luftbrückenpark durch viele Hunderte von Schafen in ein Biotop mit ökologisch wertvollem Magerrasen verwandelt werden.

Marg will nicht nur Tante Ju, DC 3 und die ersten Düsenflugzeuge zeigen. Er will über Kriegsrüstung aufklären, die russische Raumfähre ausstellen und eine Concorde genauso zeigen wie den Rumpf des ersten vierstrahligen Düsenflugzeugs deutscher Bauart, das in der DDR entwickelt wurde, aber nie in Serie ging.

Und was wird aus dem Flughafen Tegel, der 2011 geschlossen wird? „Der hat bei aller Beliebtheit nicht die Geschichte von Tempelhof und ist auch kein Baudenkmal voller Mythen“, sagt Marg. Soll heißen: Kommt Zeit, kommt Rat – aber auf jeden Fall für Tegel ein ganz anderer.

Für seine Idee eines Luft- und Raumfahrtmuseums will Volkwin Marg den Bund nicht aus der Verantwortung entlassen. Derzeit verhandeln Bund und Berlin – die Stadt will das gesamte Ensemble übernehmen. Marg aber sieht nur in Zusammenarbeit mit dem Bund die Zukunft als Museum gewahrt. Im internationalen Kräftemessen der Metropolen könnte Berlin mit einem solchen Museum punkten – auch gegen Konkurrenten wie das Luft- und Raumfahrtmuseum in Washington (unten). Denn die Stadt erhebe ja nicht nur mit der Museumsinsel den Anspruch, für Besucher aus aller Welt ein kulturelles Zentrum zu sein.

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