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Frauen und Kinder zuerst. Bis in die 1990er spielten Fußgänger in der Verkehrsplanung fast keine Rolle. Jetzt wird an sie gedacht.

© ddp

Senat plant: Mehr Sicherheit für Fußgänger

In neuen Tempo-20-Zonen sollen Autos und Radfahrer nicht mehr Vorrang vor Fußgängern haben. Außerdem plant der Senat den Umbau von Ampeln und Gehwegen.

Der Senat will die Fußgänger erforschen. Mit einer Reihe von Modellprojekten will die Stadtentwicklungsverwaltung in den nächsten Jahren herausfinden, was ihnen das Leben leichter und vor allem sicherer macht. Die am Mittwoch präsentierte „Fußverkehrsstrategie“ sieht beispielsweise den testweisen Umbau von Ampeln, die Einrichtung von „Begegnungszonen“ und die Absenkung der Bordsteine an allen Kreuzungen und Einmündungen stadtweit bis 2020 vor. Die Zahl der getöteten und schwer verletzten Fußgänger soll schon bis 2016 um 20 Prozent gesenkt werden.

Spätestens 2012 sollen zunächst drei Ampeln fußgängerfreundlicher und speziell für Senioren angenehmer werden. Getestet werden sollen ein Countdown der verbleibenden Grünphase, blinkendes Licht vor dem Umschalten auf Rot, Gelbphasen wie beim Fahrzeugverkehr und Sensoren, die die Länge der Grünphase je nach Andrang steuern. Was sich bewährt, soll später in Serie gehen.

In den geplanten „Begegnungszonen“ sollen Fußgänger auch auf der Straße Vorrang haben. Für Autos und Radler gilt Tempo 20. Als erste Testreviere wurden der Checkpoint Charlie und die westliche Bergmannstraße in Kreuzberg erkoren, wo die Fußgänger ohnehin in der Mehrheit sind. Als weitere Kandidaten gelten die nördliche Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg und die Stargarder Straße in Prenzlauer Berg. Friedemann Kunst, oberster Verkehrsplaner beim Senat, bezeichnet den Fußgängerverkehr als „die am stärksten unterbewertete Verkehrsart“. Dabei sei der Anteil der – naturgemäß relativ kurzen – Fußwege am Gesamtverkehr in Berlin auf mittlerweile 30 Prozent gestiegen. Der Autoverkehr liegt bei 31 Prozent.

Zeichen der Zeit. In Hamburg stehen bereits Ampeln mit Countdown.
Zeichen der Zeit. In Hamburg stehen bereits Ampeln mit Countdown.

© dpa

Um den Wert der Verbesserungen für die Adressaten einschätzen zu können, sind regelmäßige Befragungen geplant. Hinzu soll eine große Kampagne für ein verträglicheres Miteinander von Fußgängern und Radfahrern kommen. Als Hauptfinanziers dafür stehen laut Kunst das Bundesverkehrsministerium und der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft bereit. Dass es Handlungsbedarf gibt, zeigen nach Ansicht von Kunst auch die anonym in Prenzlauer Berg aufgehängten Plakate, die „Kampf den Kampfradlern“ fordern.

Auch die Unfallstatistik der Polizei zeigt, dass Fußgänger gefährlich leben: Zum einen sind Radfahrer bei Unfällen mit Fußgängern die Hauptverursacher. Zum anderen wird der Fußgängerverkehr nicht im gleichen Maße sicherer wie der Straßenverkehr insgesamt: Die Zahl der Schwerverletzten sinkt nur langsam. Und von 44 Verkehrstoten 2010 in Berlin waren 24 Fußgänger. Zehn Jahre zuvor waren es 89 Verkehrstote, davon 33 Fußgänger. Insgesamt gab es im Vorjahr 2348 Fußgänger-Unfälle. Rund die Hälfte davon wurde maßgeblich von den Fußgängern verursacht. „Missachtung des Fahrzeugverkehrs“ war die mit Abstand häufigste Einzelursache. Die Brennpunkte liegen allesamt an großen Kreuzungen wie Müller-/Seestraße, dem Kottbusser Tor und beiderseits des Bahnhofs Spandau.

Mehr Sicherheit sollen auch die „Querungshilfen“ bringen, für die die Verwaltung in den nächsten beiden Jahren je 1,3 Millionen Euro bereitstellt. Das Geld soll in Gehweg-Vorstreckungen, also Gehwege, die in die Fahrbahn ragen, sowie Mittelinseln und Zebrastreifen fließen. Vorausgesetzt, das Budget übersteht die Haushaltsberatungen und den nach der Wahl möglichen Regierungswechsel. Die oppositionellen Christdemokraten verkündeten gestern bereits, Tempo 20 sei „absurd“.

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