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Strategie überdacht: S-Bahn stoppt Personalabbau

Angesichts des aktuellen Desasters stellt die neue Geschäftsführung der S-Bahn den bisherigen radikalen Sparkurs teilweise infrage. In einem Brief an die Belegschaft schreibt die Chefriege unter anderem, dass die Personalplanung überarbeitet werde. Zugleich wurden auch neue Vorwürfe bekannt.

„Im Moment sehen wir aber keinen Anlass für weiteren Personalabbau.“ Auch die bisher praktizierte Schließung von Verkaufsstellen – teilweise wurden kurzerhand die Fenster der Ticketschalter im Bahnhof zugemauert – soll so nicht weitergehen. Die mögliche Schließung der Werkstatt Schöneweide werde „einer sorgfältigen Überprüfung“ unterzogen, die vom Betriebsrat geforderte Wiedereröffnung der Werkstatt Friedrichsfelde werde gründlich geprüft. In der kommenden Woche solle mit dem Betriebsrat über die künftig notwendigen Kapazitäten beraten werden und darüber, wie die Züge die Werkstätten möglichst problemlos erreichen können.

Zugleich gibt es neue Indizien dafür, wie systematisch die S-Bahn bisher auf Verschleiß gefahren wurde: So gelangten interne Unterlagen in die Öffentlichkeit, laut denen Züge per Ausnahmegenehmigung weiter fahren durften, obwohl Mängel wie Risse im Bodenblech erkannt worden waren oder ein Inspektionstermin bereits überfällig war. Zur Begründung habe es in mehreren Fällen geheißen, dass kein Ersatzzug bereitstehe.

Ein Bahnsprecher lehnte am Sonnabend eine Stellungnahme zu den Vorwürfen ab, sagte aber: „Die neue Geschäftsführung schaut sich das sehr genau an. Es gibt keine Abstriche bei der Sicherheit.“ Keine mehr, müsste es angesichts der neuen Erkenntnisse wohl heißen. Sie bringen auch das bisherige Dementi der Bahn ins Wanken: Der Konzern hatte stets bestritten, dass zugunsten des Profits systematisch an der Wartung gespart worden sei. Die neuen Unterlagen dürften auch die Staatsanwaltschaft interessieren, bei der mehrere Strafanzeigen wegen des Verdachts auf „gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr“ eingegangen sind.

Grünen-Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling drohte dem Senat am Sonnabend mit einer Beschwerde bei der Europäischen Union, falls er den bis 2017 laufenden S-Bahn-Vertrag nicht kündige oder nachträglich ändere. Hämmerling sieht angesichts des Status quo das europäische Beihilferecht verletzt, das die Zahlung öffentlicher Gelder an Privatunternehmen regelt und einen ungefähren Rahmen für die daraus zu erwirtschaftenden Profite definiert. Die Gewinnerwartung des Bahnkonzerns an die S-Bahn – im kommenden Jahr etwa 125 Millionen Euro – sei angesichts des jährlichen Landeszuschusses von etwa 232 Millionen Euro rechtswidrig hoch. 

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