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Umstrittene Expertise: S-Bahn-Gutachter arbeiten seit Jahren für den Konzern

Die Verfasser des umstrittenen Gutachtens zur S-Bahn-Krise sind nach Informationen des Tagesspiegels langjährige Geschäftspartner der Bahn AG. Die Kanzlei wird kritisiert, weil der Bericht den Unternehmensvorstand schont. Die SPD fordert jetzt ein neues, unabhängiges Gutachten.

Beim Abfassen des Berichts, der vor allem den Konzernvorstand und den Aufsichtsrat der S-Bahn schont, sei die Anwaltskanzlei Gleiss Lutz aber völlig unabhängig gewesen, heißt es bei der Bahn. Der Bericht enthalte deutliche Kritik an unternehmerischen Maßnahmen des DB-Konzerns, und zwar in wichtigen Punkten.

Zudem sei eine große Sozietät, die noch keine Aufträge von der Bahn bekommen habe, nur schwer zu finden. Die Kanzlei selbst gab mit Hinweis auf ihre Schweigepflicht keine Auskunft zu ihren Geschäftsbeziehungen mit der Bahn.

Ursprünglich sei vorgesehen gewesen, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zusammen mit Gleiss Lutz die Vorgänge bei der S-Bahn untersuchen zu lassen, bestätigte am Mittwoch ein Bahnsprecher. Den Auftrag habe dann aber nur Gleiss Lutz erhalten: Nur die Kanzlei sei mit ihrer Erfahrung in der Lage gewesen, auch die technischen Abläufe bei der Anschaffung und Wartung der Fahrzeuge der Baureihe 481 zu analysieren, die Brems- und Radprobleme hatten und hat, sagte der Bahnsprecher.

Die Kanzlei stellt sich auf ihrer Internetseite als „ eine der profiliertesten international tätigen Anwaltskanzleien Deutschlands“ vor. Mit mehr als 260 Anwälten berate sie Unternehmen und Konzerne im In- und Ausland sowie Körperschaften und Institutionen des öffentlichen Rechts. Die Tätigkeit erstrecke sich auf alle Bereiche des Wirtschaftsrechts.

rbb-Abendschau: SPD fordert neues S-Bahn-Gutachten

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Für die Kanzlei arbeitet unter anderem auch der ehemalige Justizsenator Rupert Scholz als „Of Counsel“, der nur zu speziellen Aufgaben als Fachmann hinzugezogen wird. Im Tagesspiegel veröffentlichte Scholz im März 2009 eine Position zum Datenmissbrauch bei der Bahn. Die Diskussion darüber bezeichnete er darin als „absurd“. Die Deutsche Bahn gehöre „zu den größten und erfolgreichsten deutschen Unternehmen. Sie wird von Hartmut Mehdorn glänzend geführt“, schrieb Scholz damals – als Staatsrechtler und nicht als Fachmann bei Gleiss Lutz. Der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn musste trotzdem aufgeben, die Bahn AG ein Bußgeld in der Höhe von exakt 1 123 503 Euro und 50 Cent zahlen.

Der Verkehrsexperte der SPD, Christian Gaebler, forderte am Mittwoch Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auf, bei einer unabhängigen Institution ein neues Gutachten in Auftrag zu geben, bei dem auch die Rolle des Konzernvorstands beim Desaster der S-Bahn untersucht werden solle. Der „Freispruch“ in dem Bericht von Gleiss Lutz für den Konzern sei jedenfalls „nichts wert“, sagte Gaebler.

In der Finanzplanung der S-Bahn war unter anderem vorgesehen, dass sie in diesem Jahr einen Gewinn in Höhe von 125,1 Millionen Euro an den Konzern abführen sollte. Im vom Konzern vorgegebenen „Optimierungsprogramm S-Bahn“ waren deshalb Werkstätten geschlossen, Mitarbeiter geschasst und Fahrzeuge verschrottet worden. Einen Zusammenhang mit dem Desaster bei der S-Bahn sehen die Prüfer von Gleiss Lutz aber nicht.

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