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Verwaltungsrechtler Geulen: "Planfeststellung nicht mehr anfechtbar"

Verwaltungsrechtler Reiner Geulen sprach mit dem Tagesspiegel über Ansprüche auf Lärmschutz am neuen Flughafen.

Die Länder Berlin und Brandenburg sollen dem Bundesverwaltungsgericht Dokumente über die Flugroutenplanung für Schönefeld vorenthalten haben. Ist das Planfeststellungsverfahren damit für den Flughafenbau hinfällig?

Grundlage für Bau und Betrieb des Flughafens ist der Planfeststellungsbeschluss von 2004, der seit den Klageabweisungen im Jahre 2006 unanfechtbar ist. Bau und Betrieb sind bestandskräftig genehmigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Anspruch auf Aufhebung der Planfeststellung nicht mehr möglich; Betroffene müssen ihre Rechte in dem laufenden Verfahren zur Festlegung der Flugrouten geltend machen.

Sind damit die Richter zumindest teilweise getäuscht worden, weil bei der Abwägung die Zahl der insgesamt Betroffenen nicht exakt bekannt war?

Planfeststellung und Flugroutenfestlegung sind voneinander zu trennen. Im Planfeststellungsverfahren wurde ein wesentliches Szenario der Flugroutenfestlegung unterstellt, nämlich der Geradeausabflug. Darauf haben sich Anwohner eingestellt. Für Abweichungen von diesem Szenario müssten gewichtige Gründe vorgetragen werden. Auch wenn der Planfeststellungsbeschluss nicht mehr angegriffen werden kann, haben die darin vorgenommenen Wertungen einen hohen Wert. Sollten die Annahmen der Planfeststellung – etwa aus Gründen der Sicherheit – nicht umsetzbar sein, können der Flughafenbetreiberin andere Betriebsregelungen zugemutet werden, etwa bei einem Abflug in westlicher Richtung der Geradeausflug von der Nordbahn und ein Abknicken von der Südbahn.

Sind damit Betroffene, die nicht wussten, dass sie betroffen sein können, um ihre Klagerechte gebracht worden?

Das hängt von der Ausgestaltung der Flugrouten durch die DFS ab. Gemeinden und Bürger, die befürchten, stärker belastet zu werden als im Planfeststellungsverfahren unterstellt wurde, sollten sich daher in das Abwägungsverfahren der Flugroutenfestlegung einbringen. Gegen die endgültige Flugroutenfestlegung besteht verwaltungsprozessualer Rechtsschutz, der sich auf die Überprüfung dieser Entscheidung bezieht. Eine Klage ist aber erst nach Festlegung der Flugrouten durch Rechtsverordnung zulässig.

Darf der Flughafen in Betrieb gehen, wenn die Routen erst wenige Monate vor der geplanten Eröffnung feststehen und Neu-Lärmbetroffene nicht mehr rechtzeitig Schallschutz erhalten können?

Der Anspruch auf Maßnahmen des passiven Schallschutzes ergibt sich nach Festlegung der Flugrouten zwingend aus den im Fluglärmschutzgesetz festgelegten Schallschutzzonen, die von der Höhe der Lärmbelastung abhängen. Es sollte alles getan werden, dass die Flugroutenfestlegung so schnell wie möglich erfolgt, damit gerichtliche Kontrollverfahren noch durchgeführt werden können und Neu-Lärmbetroffene ihren Anspruch auf passiven Lärmschutz vor Inbetriebnahme des Flughafens realisieren können.

Das Gespräch führte Klaus Kurpjuweit.

Reiner Geulen ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht. Er berät auch den Senat in Luftverkehrsfragen, zuletzt bei der Schließung Tempelhofs und der Betriebsaufgabe Tegels.

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