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© dpa

Wartungschaos: S-Bahn stockt Personal in den Werkstätten auf

Noch immer ist kein Ende des Desasters bei der S-Bahn absehbar. Inzwischen hat aber die Aufstockung des Personals begonnen. Auch der Austausch der Bremszylinder geht voran. Am Mittwoch sind die Unternehmenschefs zu einer Sondersitzung des Verkehrsausschusses geladen.

Noch immer ist kein Ende des Desasters bei der S-Bahn absehbar. Aber die Beschäftigten sehen Fortschritte, die auch den geplagten Fahrgästen zugute kommen dürften. So berichtet der Betriebsratsvorsitzende Heiner Wegner, dass die vor der Leichtathletik-WM im August zugesagte Aufstockung des Personals inzwischen begonnen habe: So seien erste zusätzliche Werkstattleute eingestellt worden, um die seit Monaten voll ausgelasteten Kollegen zu unterstützen. Bei den Neuen handele es sich teils um übernommene Auszubildende, teils um ursprünglich bereits weggesparte Ex-Beschäftigte und mitunter auch um externes Personal. Alles in allem stünden etwa 200 zusätzliche Mitarbeiter zur Verfügung, sagte Wegner. Über die dauerhafte Aufstockung des Personals - laut dem Verkehrsverbund VBB wurde es seit 2005 um ein Viertel reduziert - verhandele man zurzeit mit der Geschäftsführung.

Auch hat sich offenbar der Umgang bei der Bahn-Tochter grundsätzlich gewandelt. Während die geschassten Geschäftsführer die offenkundig berechtigten Warnungen der Mitarbeiter als "Wahrnehmungsstörungen" und Nestbeschmutzung abgetan hatten, sei der Umgang mit der neuen Chefriege fair und sachlich.

Neue böse Überraschungen mag dennoch niemand ausschließen. Zwar betont auch das Eisenbahn-Bundesamt (EBA): "Im Moment haben wir keine neuen Erkenntnisse über sicherheitsrelevante Vorkommnisse", aber solche Aussagen gelten ausdrücklich nur für den Zeitpunkt, zu dem sie gemacht wurden. Auch der Betriebsratschef sagt, dass sich zwar keine weiteren Probleme abzeichneten, aber will nach fünf Jahren des Herunterwirtschaftens lieber nichts ausschließen. Die Aufarbeitung der verschlissenen Bremszylinder komme jedenfalls schneller voran als der ebenfalls notwendige Austausch der Radscheiben. Wegner hält einen deutlich verbesserten Fahrplan noch in diesem Jahr für realistisch und rechnet auch beim ersten Wintereinbruch nicht mit einem erneuten Desaster. Aber das frühere Niveau werde man wohl erst 2010 wieder erreichen. Offizielle Prognosen aus dem Bahn-Konzern sind nach wie vor nicht zu bekommen.

Vielleicht erfahren die Abgeordneten im Verkehrsausschuss an diesem Mittwoch mehr. Zu der Sondersitzung sind außer Wegner auch Konzernchef Rüdiger Grube, S-Bahn-Geschäftsführer Peter Buchner und der Chef des Verkehrsverbundes VBB eingeladen. Auch der politische Druck, die Fahrgäste besser zu entschädigen, wächst. Zumindest die Grünen haben die zuletzt erwogene Freifahrt für alle an einem Adventswochenende als "lächerlich angesichts des enormen Zeit- und Kostenaufwandes der Berliner Fahrgäste" abgelehnt und vom Konzern "eine Geste der Großzügigkeit" verlangt.

Parallel sammeln die Grünen Unterschriften für die vorzeitige Kündigung des bis 2017 laufenden Verkehrsvertrages und bringen eine "Beschwerde über mutmaßlich rechtswidrige staatliche Beihilfen" an die EU-Kommission auf den Weg. Am Dienstagnachmittag beriet die Fraktion darüber; die Sitzung dauerte bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch an. Nach Tagesspiegel-Informationen stützt sich die Beschwerde auf mehrere Argumente: Die vom Senat an die S-Bahn vergebene Leistung sei mangels Qualitätskriterien nicht klar genug definiert. Der Landeszuschuss sei weder transparent berechnet noch plausibel gemacht worden, sondern werde der S-Bahn als Kilometerpauschale gutgeschrieben. Die Gewinnplanung der Bahn sei im Branchenvergleich extrem hoch. Obendrein zahle Berlin einen Zuschuss deutlich über Marktniveau, weil der Vertrag nicht ausgeschrieben worden sei. Nach Auskunft von Grünen-Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling müsste im Erfolgsfall die EU-Kommission die Rückzahlung der gezahlten Beihilfen anordnen. Das würde die S-Bahn hart treffen - und den Finanzsenator freuen.

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