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Winter-Chaos: Verkehrssenatorin rügt Berliner S-Bahn

Im anhaltenden Chaos bei der S-Bahn hat sich jetzt auch die Verkehrssenatorin zu Wort gemeldet und harsche Kritik geübt.

Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) ist sauer. Nachdem das DB-Tochterunternehmen weitere wetterbedingte Ausfälle im S-Bahn-Verkehr angekündigt hatte, sagte die Senatorin: "Das ist ein unhaltbarer und nicht zu entschuldigender Zustand."

S-Bahn-Chef Peter Buchner hatte sich in einer Pressekonferenz am Montagvormittag bereits um eine Erklärung für das Desaster bemüht. Eingefrorene Weichen seien der Hauptgrund für die anhaltenden Verspätungen und Einschränkungen im S-Bahn-Verkehr gewesen. Allerdings bleibe die Situation auch weiterhin angespannt, da der Wartungsstau in den Werkstätten andauert. Junge-Reyer gibt sich damit nicht zufrieden: "Es ist nicht nachvollziehbar, weil in anderen Ballungsgebieten die Weichen auch im Winter funktionieren", sagte sie.

S-Bahn-Chef Buchner gibt sich hilf- und ratlos. „Ich möchte mich entschuldigen für die Situation, die entstanden ist“, sagte er. Wegen der vielen zusätzlichen Auflagen für Wartung und Kontrolle der Züge sei das System so fragil, "dass es bei externen Schocks kollabiert". Ein solcher Schock sei der Wintereinbruch am Donnerstag gewesen. Dabei habe sich das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn "wirklich gut" auf den Winter vorbereitet, beteuerte Buchner.

Weil zeitweise mehr als 60 Weichen ausgefallen waren, konnten selbst einsatzbereite Züge nicht auf die Strecke geschickt werden. Am Freitag seien die Ausfälle dann noch größer geworden, weil Züge die Werkstätten nicht mehr erreichen konnten und wegen der deshalb überschrittenen Wartungsfristen aus dem Verkehr gezogen werden mussten. Am Donnerstag seien von 440 einsatzbereiten Doppelwagen noch 403 planmäßig losgefahren. Am Freitag habe man dann von 370 verbliebenen Fahrzeugen nur noch 341 auf die Strecke schicken können. Am Wochenende sei der verfügbare Bestand dann auf 270 Fahrzeuge gesunken.

Mit zusätzlichen Wartungsteams will die S-Bahn jetzt täglich etwa 20 Fahrzeuge wieder flottmachen, so dass nächste Woche zum alten - wegen Wartungs- und Materialmängeln seit mehr als einem Jahr ohnehin eingeschränkten - Fahrplan zurückgekehrt werden könne. Es sei denn, neuer Schnee macht diesen Plan zunichte. Während die Wartungsauflagen für die aktuellen S-Bahn-Züge unvermeidlich sind, gab Buchner zu, dass mit mehr Personal auch mehr Weichen vom Schnee hätten befreit werden können. Die Weichen gehören allerdings der Bahntochter DB Netz, die im Zuge des geplanten Börsenganges ebenfalls auf Gewinnmaximierung getrimmt worden ist.

Chaos ging am Montagmorgen weiter

Am Montagmorgen hatte sich zunächst das Winterchaos bei der Berliner S-Bahn fortgesetzt. Lange Wartezeiten und volle Züge sorgten weiterhin für Unmut bei den Fahrgästen. Der Takt wurde auf wichtigen Linien noch deutlicher ausgedünnt. Dutzende Züge fielen aus. Mittlerweile hat sich die Situation offenbar stabilisiert. Es verkehren jedoch immer noch viel weniger Züge als vorgesehen.

Derzeit sind nur 320 Viertelzüge einsatzfähig, teilte das Unternehmen schon am Morgen mit. Eigentlich sollten 416 dieser Doppelwaggons rollen. Für einen normalen Fahrplan – wie ihn Berlin seit eineinhalb Jahren nicht mehr erlebt hat – wären 560 Viertelzüge erforderlich. Am Montagvormittag will die Unternehmensleitung auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz versuchen, Gründe für das neue Desaster zu formulieren.

Heute müssen Fahrgäste dies ertragen: Die Ringbahn fährt nur alle zehn Minuten. Zwischen den S-Bahnhöfen Charlottenburg und Potsdam sowie zwischen Wartenberg und Warschauer Straße können die Züge nur alle 20 Minuten fahren. Doch auch diese Taktung wird von Tagesspiegel-Lesern und Twitterern in Zweifel gezogen. Gefühlt fuhr die Ringbahn schon in den vergangenen Tagen deutlich seltener.

Wowereit: Ausfälle sind peinlich

Schriftlich wurde gestern Folgendes mitgeteilt: „Aufgrund eines erheblichen Rückstaus bei den zwingend vorgeschriebenen Prüf-, Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen kann die S-Bahn Teile ihrer Fahrzeugflotte nicht einsetzen.“ Wie es weiter heißt, seien dafür die durch Schneefall blockierten Weichen schuld. Dadurch konnten viele Züge nicht in die Werkstätten fahren. Der Fahrzeugstau könne nur „über mehrere Tage abgearbeitet werden“, hieß es. Es dürfte also in den kommenden Tagen bei diesem neuen Notfahrplan bleiben, sofern nicht Neuschnee wieder Weichen einschneit und den Plan Makulatur werden lässt.

Gestern versuchte die Bahn offensichtlich, durch viele Einschränkungen Fahrzeuge zu „sparen“. So fuhr die S 2 am Sonntag zwischen Bernau und Blankenfelde nur noch alle 20 Minuten, ebenso die S 3 zwischen Erkner und Rummelsburg. Ausgedünnt wurde der Verkehr auf dem westlichen Ring, die S 46 fuhr nur bis Halensee statt nach Westend. Die S 47 wurde fast ganz eingestellt, ein Pendelzug fuhr nur noch zwischen Spindlersfeld und Schöneweide.

Nach Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer hat gestern auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (beide SPD) die S-Bahn scharf kritisiert. Wowereit sagte, ihm fehle jedes Verständnis dafür, dass gleich beim ersten Schnee die S-Bahn wieder derart peinliche Ausfälle melden müsse. Junge-Reyer hatte zuvor schlicht konstatiert: „Die S-Bahn schafft es nicht.“ Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) forderte das Land auf, die S-Bahn-Gleisanlagen zu übernehmen. (mit dapd/dpa)

S-Bahn-Kundentelefon 29 74 33 33; Bahn-Service-Telefon 08000 99 66 33

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