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Update

Winterchaos: S-Bahn beginnt mit Rädertausch

Die S-Bahn fängt mit dem Austausch der bruchgefährdeten Räder an, eine Verbesserung der Lage wird aber noch auf sich warten lassen. Verkehrsminister Ramsauer nahm indessen die S-Bahn in Schutz. Die BVG fährt ab Donnerstag trotz aller Probleme mit Ferienfahrplan.

Hoffnungsschimmer für die erneut in die Krise gerutschte S-Bahn: Der seit Monaten erhoffte Tausch der bruchgefährdeten alten Räder und Achsen durch neue Teile hat jetzt begonnen. Der Austausch hatte sich durch Lieferengpässe beim Hersteller verzögert. So kann die S-Bahn in den nächsten Tagen wahrscheinlich wieder mehr Züge einsetzen. Bei der BVG beginnt dagegen am Donnerstag der Ferienplan – mit einem weiter eingeschränkten Angebot. Zahlreiche Busfahrten fallen derzeit ohnehin bereits planmäßig aus, weil auch der BVG Fahrzeuge für den Betrieb fehlen.

Beim Fahrzeugeinsatz hat die S-Bahn derzeit ihren Tiefstand in diesem Jahr erreicht: Am Dienstag waren lediglich 278 Doppelwagen unterwegs; am Vortag sogar nur 267. Erforderlich wären für den Notfahrplan, der bis zum ersten Schneefall Anfang Dezember galt, 434 Doppelwagen. Die Folge des Mangels: Nicht selten mussten Fahrgäste gestern bis zu 30 Minuten auf eine S-Bahn warten. Trotz des begonnenen Austauschs von Achsen und Rädern werde sich das Angebot aber nur allmählich verbessern, sagte ein Sprecher.

Bis gestern waren nach Angaben des Sprechers an sieben der 500 Doppelwagen der Baureihe 481, die die meisten Probleme hat, Achsen und Räder gewechselt worden. Von der Baureihe 485 aus DDR-Zeiten waren bisher drei Doppelwagen an der Reihe. Nach der Wiederinbetriebnahme bereits abgestellter Wagen ist hier ein Bestand von 80 Doppelwagen geplant. Nach dem Austausch können die Kontrollfristen verlängert werden; die Züge bleiben dann länger im Einsatz.

Der angeblich dieses Mal wintersicher vorbereiteten S-Bahn machen nach wie vor Schnee und Eis zu schaffen. Seit Anfang Dezember gab es nach Angaben des Unternehmens bereits 585 Defekte beim Antrieb der Züge; 121 Motoranlagen mussten ausgetauscht werden, die durch Flugschnee lahmgelegt worden waren. Zudem müssen die Fahrzeuge, bevor sie in der Werkstatt behandelt werden können, derzeit stundenlang aufgetaut werden. Nur dann können Achsen und Räder kontrolliert werden.

Auch die eingefrorenen Rohre, die verhindern, dass Bremssand auf die Schienen gestreut werden kann, müssen in der Werkstatt erwärmt werden. Deshalb soll jetzt in der eigentlich stillgelegten Anlage in Erkner vorübergehend im Drei-Schicht-System gearbeitet werden. Wegen der eingefrorenen Bremssandrohre dürfen alle Züge derzeit, wie berichtet, nur mit maximal 60 km/h fahren; schon 2006 war das Tempo aus Sicherheitsgründen von Tempo 100 auf 80 km/h reduziert worden. Durch die erneute Beschränkung kann der Fahrplan nicht mehr eingehalten werden; es kommt im gesamten Netz zu Verspätungen. Und zu Szenen wie dieser: Auf dem Bahnhof Gesundbrunnen, wo Fahrgäste versuchen, in einen vollbesetzten Zug zu gelangen, kommt die Durchsage: „Bitte nehmen Sie Rücksicht. Dieser Zug ist überfüllt.“ Kurze Pause. „Und außerdem kaputt.“ Der nächste Zug soll aber schon in vier bis sechs Minuten kommen.

An einen Ersatzverkehr mit zusätzlichen Regionalbahnen, wie es ihn in der Vergangenheit gegeben hat, ist derzeit nicht zu denken. Der Bahn fehlen dafür die Fahrzeuge. Sie muss derzeit immer noch unter anderem zwischen Cottbus und Leipzig Reserven einsetzen, weil die für die Strecke vorgesehenen Neubaufahrzeuge bisher keine Zulassung vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) erhalten haben.

Auf Post vom EBA wartet auch die S-Bahn weiter, deren auf ein Jahr befristete Betriebsgenehmigung am 31. Dezember ausläuft. Dass sie nicht verlängert wird, gilt als unwahrscheinlich; das EBA könnte die Genehmigung aber wieder befristen, womöglich auf weniger als ein Jahr, rechtlich möglich wären 15 Jahre.

Unabhängig von den Problemen bei der S-Bahn gilt bei der BVG von Donnerstag an der übliche Ferienfahrplan, bei dem Busse für den Schülerverkehr, die aber auch von anderen Fahrgästen genutzt werden können, entfallen; bei der U-Bahn wird meist der Abstand zwischen den Fahrten vergrößert. Ein Schülerverkehr ohne Schüler ergebe keinen Sinn, begründete BVG-Sprecher Klaus Wazlak den Ferienfahrplan. Zudem könnten dadurch frei werdende Busse woanders einige Lücken im Angebot füllen, das derzeit auf mehreren Linien ausgedünnt ist.

Rammsauer nimmt S-Bahn in Schutz

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat die Geschäftsführung der pannengeplagten Berliner S-Bahn unterdessen vor Kritik in Schutz genommen. Das anhaltende Chaos bei der Deutsche-Bahn-Tochter sei ein „Erbe der Vergangenheit“, sagte Ramsauer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. „Wer die Berliner S-Bahn jahrelang als Cash-Cow betrachtet, der darf sich nicht wundern, wenn sich das auf gewisse Weise auswirkt.“ S-Bahn-Chef Peter Buchner, seit Sommer vergangenen Jahres im Amt, habe einst ein gutes Bild gebraucht, um die Situation bei dem Verkehrsunternehmen zu beschreiben: „Wir haben angefangen, jeden Stein umzudrehen. Und unter jedem Stein finden Sie neue Überraschungen“, zitierte der Minister den S-Bahn-Geschäftsführer. Es komme immer wieder etwas Neues zum Vorschein, ergänzte Ramsauer.

Wenn in einem kaufmännischen Betrieb jahrelang unter anderen Zielvorstellungen gewirtschaftet worden ist, dann hat das Auswirkungen, die nur schrittweise wieder umgepolt werden können“, sagte Ramsauer weiter. Zwar sei damals derselbe Berliner Senat wie heute am Werke gewesen. Dennoch gehe „die Sache nun in eine andere Richtung“: Das Management sei ausgetauscht worden und habe Werkstätten wieder eröffnet und rund 200 bis 300 Beschäftigte zusätzlich eingestellt. „Aber das Ganze wird natürlich erst langsam wieder, das geht nicht über Nacht“, sagte Ramsauer weiter. So brauche es allein an die 20 Monate, um 4.000 Radscheiben auszutauschen. Nötig seien dafür gewisse Temperaturen, das Wetter komme also erschwerend hinzu. Er nehme es der S-Bahn-Geschäftsführung aber ab, dass sie alles daran setze, normale Verhältnisse herzustellen und Schritt für Schritt die erforderliche Zahl von Halbzügen wieder fahren zu lassen, sagte der Verkehrsminister. (mit dapd)

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