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"WHAT WOULD YOU DO IF YOUR INCOME WERE TAKEN CARE OF?" steht auf dem riesigen Plakat auf der Straße des 17. Juni zwischen der Siegessäule und dem Brandenburger Tor in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Verkehrschaos wegen Protesten: Berlins Straße des 17. Demonstranten

Ein paar Protestierer können Berlins wichtigste Verkehrsachse blockieren – selbst für eine Fotoaktion. Das Versammlungsrecht ist sehr weitgehend. Und die nächste Sperrung steht schon bevor.

„Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Das ist Artikel 8, Satz 1 des Grundgesetzes. Dieser Artikel 8 machte es möglich, dass am Sonntag die Straße des 17. Juni gesperrt wurde – weil ein paar Menschen dort ein 400 Meter langes Plakat auslegen wollten. Und zwar das größte der Welt, die Fotos davon gingen deutschlandweit durch die Medien, auch der Tagesspiegel druckte es am Montag.

Eine Hauptstraße gesperrt für ein inszeniertes Foto? Ja. Das Versammlungsrecht erlaubt das. Die Organisatoren haben die Aktion als Kundgebung bei der Polizei angemeldet. Das Motto lautete: „Die größte Frage der Welt – wir wollen abstimmen.“  Anlass war die am 5. Juni bevorstehende Abstimmung in der Schweiz über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Eine solche bundesweite Abstimmung wollen die Organisatoren auch in Deutschland, deshalb die Demo in Berlin.

Die Organisatoren haben ihre Wünsche detailliert angemeldet bei der Versammlungsbehörde des Polizeipräsidiums. „Auslegen eines Großplakates auf der nördlichen Fahrbahn, Aufstellen eines Omnibusses und eines mobilen Krans für fotografische Dokumentation auf der südlichen Fahrbahn.“ Juristen im Polizeipräsidium haben die Anmeldung geprüft, wie bei jeder anderen Demonstration auch.

Versammlungen können höchstens eingeschränkt werden

Bedenken oder Beschränkungen gab es keine. Dass Autofahrer die Straße nicht befahren konnten, interessiert die Polizei nicht, „diese punktuelle Belastung muss hingenommen werden“, sagte ein leitender Beamter. Erstmals war im vergangenen Jahr die Zahl von 5000 Versammlungen (stationären Kundgebungen und Demonstrationen) in Berlin überschritten worden.

„Genehmigt“ werden Demonstrationen durch die Polizei nicht, denn es gilt ja die grundgesetzlich geschützte Versammlungsfreiheit. Versammlungen können höchstens eingeschränkt oder verboten werden: Artikel 8, Satz 2 des Grundgesetzes besagt: „Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht ... beschränkt werden.“

Tatsächlich sind die Möglichkeiten dazu nur minimal. In jedem Einzelfall wird eine Abwägung vorgenommen zwischen dem Recht der Versammlungsfreiheit und den Rechten möglicher Betroffener – zum Beispiel von Autofahrern oder Geschäftsleuten. Falls eine Demonstration nur einmal stattfindet, hat die Allgemeinheit immer das Nachsehen, sagte ein leitender Beamter im Präsidium.

Straße ist für die Fahrradsternfahrt gesperrt

Etwas anderes wäre es, wenn eine Demonstration etwa wöchentlich über Ku’damm und Tauentzienstraße ziehen möchte – und den Läden das Geschäft verdirbt. Hier hat es in den vergangenen 20 Jahren unterschiedliche Gerichtsurteile gegeben. In der letzten Entscheidung durfte die Polizei eine Demo über die Budapester Straße umleiten, da Geschäftsleute der Tauentzienstraße hohe Umsatzeinbußen mit Zahlen belegen konnten.

Falls nur wenig Teilnehmer erwartet werden, kann die Polizei die Versammlung von der Fahrbahn weg auf den Gehweg verlegen. So demonstrierten am Montag knapp zehn Menschen vor dem Landwirtschaftsministerium in der Wilhelmstraße auf dem Gehweg –  bewacht von etwa 30 Polizisten in zwei Mannschaft- und vier Streifenwagen.

Das Versammlungsrecht ist für den Anmelder gratis. Bewachung, Sperrung, Reinigung – all das zahlt der Steuerzahler. Im Gegensatz zu Versammlungen kann beim Bezirk eine „Sondernutzung“ öffentlichen Straßenlandes angemeldet werden, das kostet dann aber Gebühren, zudem muss für Absperrung und Sicherheit selbst gesorgt werden. An diesen Kosten ist vor Jahren die Love Parade gescheitert, nachdem die Polizei die Tanzveranstaltung nicht mehr als (politische) Kundgebung akzeptieren wollte.

Eine Versammlung muss der Meinungskundgebung und -bildung dienen, erklärte ein Jurist. Diese Bedingung hat die Buchstabenplakat-Demo auf der Straße des 17. Juni natürlich erfüllt. Da die Veranstalter eine weitgehende „Gestaltungsfreiheit“ haben, fallen auch Aktionen wie die Buchstaben oder der Kran unter die Versammlungsfreiheit. Auch in der Wahl der Örtlichkeit hat der Anmelder freie Hand.

Und das gilt bekanntlich auch für alle nichtpolitischen Events. Nächstes Wochenende ist die Straße für die Fahrradsternfahrt gesperrt; und dann wieder – wegen der EM-Fanmeile und deren Auf- und Abbauten – auf Wochen vom 9. Juni, 6 Uhr, bis 12. Juli, 24 Uhr.

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