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Verkehrskontrollen und Tempo 30: Polizei widerspricht Senat

Die Äußerungen Verkehrsstaatssekretär Gaebler werden kritisiert, auch von Grünen. Aber es ist trotz allem kein Geld für neue Blitzer vorgesehen.

Verkehrsstaatssekretär Christian Gaebler (SPD) hat mit seinen Thesen zur Sicherheit auf den Berliner Straßen nicht nur eine lebhafte Debatte im Online-Forum des Tagesspiegels ausgelöst, sondern auch deutlichen Widerspruch von Verkehrsexperten provoziert. Angesichts der Aussagen, wonach es genug stationäre Blitzer gebe, wurde im Polizeipräsidium auf die Unfallbilanz 2011 verwiesen. Demnach hat die Zahl der  Verletzten durch Rotlichtunfälle deutlich höher gelegen als 2010. Der Chef der Verkehrspolizei hatte, wie berichtet, von einem „heftigen Anstieg“ gesprochen. Auch die Überschreitungsrate bei Tempokontrollen ist um fünf Prozent gestiegen. Von 12,1 Millionen gemessenen Autos waren 2011 fast sieben Prozent zu schnell.

Experten der Polizei sprechen sich – anders als Gaebler – seit langem für mehr Tempo 30 aus, um das Geschwindigkeitsniveau zu senken: „Das bringt mit Sicherheit mehr Sicherheit in die Stadt“, hieß es im Präsidium unter Verweis auf alle verkehrswissenschaftlichen Studien. Autofahrer kalkulierten, wie teuer ein Verstoß wird, hieß es. So sei Tempo 70 bei erlaubtem Tempo 50 finanziell zu verschmerzen. In einer 30er-Zone sei mit Tempo 70 aber der Führerschein weg, sagte ein Beamter. Also werde langsamer gefahren – wenn auch nicht unbedingt exakt 30.

Der vor Jahren aus dem Abgeordnetenhaus ins Europaparlament gewechselte Verkehrsexperte Michael Cramer (Grüne) warf Gaebler vor, das Problem der zuletzt stark gestiegenen Zahl der Verkehrsopfer zu verniedlichen. „Auf der einen Seite haben wir einen Innensenator, der für Law and Order steht“, sagte Cramer, „und auf der anderen Seite kneift der Senat beide Augen zu, wenn es um die Einhaltung der Verkehrsregeln geht.“ Das von der EU-Kommission postulierte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten von 2010 bis 2020 um die Hälfte zu senken, könne Berlin mit dieser Einstellung nicht erreichen. Anders als beim Berliner Senat sei auch Tempo 30 als innerstädtische Regelgeschwindigkeit vom EU-Parlament mit großer Mehrheit akzeptiert worden. Selbst die deutschen Parlamentarier von CDU und FDP hätten kürzlich geschlossen dafür gestimmt.

Gaebler hatte erklärt, Tempo 30 sei vor Schulen „ganz breit akzeptiert“. Eine Statistik, die dies bestätigen könnte, gibt es bei der Polizei jedoch nicht. Vor Schulen und Kindergärten misst die Polizei in der Regel mit Handgeräten das Tempo und hält die Autofahrer unmittelbar danach an. An Hauptstraßen werden seit Jahren nur 17 von etwa 2000 Ampeln dauerhaft kontrolliert. Zudem gibt es an fünf Straßen stationäre Tempoblitzer. Gaebler hält „die Forderung nach möglichst vielen stationären Blitzern für falsch“.

Wie berichtet, würden sich die Anschaffungskosten schnell amortisieren. Die technisch komplizierte und deshalb teure Anlage im Britzer Tunnel hatte ihre Kosten von 1,4 Millionen Euro bereits in den ersten sieben Betriebsmonaten 2010 eingespielt, seit Anfang 2011 verdient sie Geld – trotz eines Hinweisschildes vor dem Tunnel. Die neueste Anlage an der Bundesallee hat sich bereits nach zwei Monaten amortisiert. Im Durchschnitt kostet ein Knöllchen an den Tempoblitzern 16,50 Euro. Doch weitere Blitzer wollen in Berlin nur die Grünen; zuletzt hatten sich Anfang 2010 alle anderen Fraktionen im Abgeordnetenhaus dagegen ausgesprochen. Geld soll es im Doppelhaushalt 2012 / 2013 nur für die Digitalisierung von zwei der bestehenden, altersbedingt inzwischen störanfälligen Anlagen pro Jahr geben. Geld für zusätzliche Anlagen ist nicht vorgesehen.

Auch Gaeblers Behauptung, der Effekt der sogenannten Dialog-Displays ließe nach, „wenn man die ganze Stadt damit zupflastern würde“, wird durch eine Studie widerlegt, auf die die Senatsverwaltung im Internet selbst verweist: Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) kam zu dem Ergebnis, dass bald nach dem Abbau der Anzeigen wieder so schnell gefahren wurde wie zuvor. Gaebler hatte dagegen von einem dauerhaften Lerneffekt bei den Autofahren gesprochen, auch wenn die Displays nur zeitweise aufgestellt würden.

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