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Da geht noch was: Ein Großteil der Fläche im Ring ist derzeit noch keine Parkzone.

© Tsp

Verkehrspolitik in Berlin: Der S-Bahn-Ring als Grenze einer riesigen Parkzone

Kaum sind erste Pläne für eine neue Berliner Verkehrspolitik öffentlich, werden sie kontrovers diskutiert. Nicht jeder Bezirk will kostenpflichtige Parkplätze einrichten. Auch Radfahrer haben neue Ideen.

Von Fatina Keilani

Eins lässt sich voraussagen, auch wenn noch nichts bekannt ist: Die Verkehrspolitik des neuen Senats wird sich deutlich von jener der Vorgängerregierung unterscheiden. Ob das den Bürger am Ende mobiler und seine Teilnahme am Verkehr sicherer macht, wird sich zeigen. Die neue Opposition aus CDU und FDP wettert jedenfalls schon jetzt gegen die Pläne und gegen das, was durch einen Tagesspiegel-Bericht nach außen gedrungen ist. CDU-Generalsekretär Kai Wegner sieht den lange befürchteten "Kulturkampf gegen Autofahrer" heraufziehen.

Den Plan, innerhalb des S-Bahn-Rings flächendeckend Parkzonen einzurichten, bezeichnet er als "Abzocke", den Verzicht auf den Weiterbau der Autobahn A 100 als "völlig unverständlich", zumal Wohngebiete dadurch entlastet würden und der Bund zahle. Fazit: "Rot-Rot-Grün spaltet die Stadt. Das Linksbündnis spielt die Mobilitätsformen gegeneinander aus." Ähnlich klingt FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. „In Zukunft können dann Pflegedienst, Pizzalieferant, Handwerker und Paketbote per pedes oder mit dem Fahrrad durch die Stadt“, malt sich Czaja aus. Die FDP wolle eine Stadt, in der das gewünschte Verkehrsmittel gewählt werden kann.

Zwei Kernpunkte sind es, über die jetzt diskutiert wird: Ob das von den Grünen versprochene Radverkehrsgesetz kommt, und ob tatsächlich die ganze Stadt innerhalb des S-Bahn-Rings Parkzone wird. Die entscheidende Verhandlungsrunde findet am Freitag statt.

Stadtweite Parkzone innerhalb des S-Bahn-Rings

Bezirke wie Reinickendorf und Marzahn-Hellersdorf können sich entspannen, sie liegen außerhalb des S-Bahn-Rings. Andere haben nur einen kleinen Zipfel drin, etwa Treptow-Köpenick. Im Bezirk von Bürgermeister Oliver Igel (SPD) gab es 2014 einen Bürgerentscheid – die Bürger wollten keine Parkzonen. „Daran sehe ich mich gebunden“, sagt Igel. Inwieweit das anders wird, wenn der Senat die Befehle erteilt, ist offen. Besonders stark betroffen von dem Plan der Verkehrsunterhändler von Rot-Rot-Grün wären Friedrichshain- Kreuzberg und Neukölln. Neukölln hat bisher gar keine Parkraumbewirtschaftung (siehe Karte), Friedrichshain-Kreuzberg hat Parkzonen eingeführt, mit Erfolg.

"Das stieß bei den Anwohnern erst auf Ablehnung, mittlerweile trifft es aber auf große Zustimmung, besonders im Simon-Dach-Kiez", berichtet Julian Schwarze, örtlicher Fraktionssprecher der Grünen. Der Bezirk habe von sich aus weitere Gegenden in Planung genommen. Derzeit wird geprüft, ob das Viertel um Gneisenau- und Bergmannstraße zur Parkzone wird. Neuköllns Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) war am Mittwoch schonmal in ihrem Ordnungsamt, um das Szenario durchzuspielen. Ergebnis: Es werden rund 100 zusätzliche Mitarbeiter benötigt, und weitere Büros auch. Da der Parkdruck aber immer mehr zunehme und man ständig Probleme mit Zweite-Reihe-Parkern und Verbotsparkern habe, könne man die Ausweisung von Parkzonen durchaus in Betracht ziehen.

Von jetzt auf gleich gehe das sowieso nicht, sagt der zuständige Stadtrat in Charlottenburg-Wilmersdorf, Marc Schulte (SPD). Die Ordnungskräfte müssen ihr Gehalt ja selbst einspielen, es wird also erst mal ein Wirtschaftsplan erstellt, per Gutachten werden der zu erwartende Personalbedarf und die Einnahmen ausgerechnet. Viele reine Wohngegenden Charlottenburgs wären kein gutes Jagdgebiet für Knöllchenverteiler – wo jeder Parkende zugleich Anwohner ist und eine Vignette hat, ist nicht viel Geld zu holen. Kontrolliert werden müsse trotzdem, sagt Schulte.

Der Stadtrat erinnert sich auch an den "Masterplan Parken" von 2013. Schon damals gab es den Plan, mehr Parkzonen auszuweisen, und es gab auch eine Tendenz zu mehr Zentralisierung. Der Plan wurde damals zurückgestellt. Nun könnte er neu belebt werden.

Strößenreuther: "Radfahrgesetz kann ein Riesenschritt nach vorn sein"

Fahrrad-Aktivist Heinrich Strößenreuther und seine Truppe planen für Freitag eine freundliche Demo am Roten Rathaus. Pünktlich zur Mittagspause um 13.30 Uhr werden selbst gebackene Fahrrad-Kekse verteilt, außerdem gibt es eine schöne Torte in den Koalitionsfarben und mit Fahrrad-Deko, damit die Verhandler bei Kräften bleiben. Ob das Gesetz nun Radfahrgesetz, Mobilitätsgesetz oder sonst wie heißt, ist Strößenreuther ziemlich egal. Die Hauptsache sei, dass die Interessen der Radfahrer und Fußgänger darin berücksichtigt werden.

In die Kritik von Aktivisten, die Grünen hätten sich ihr Versprechen allzu leicht abhandeln lassen, stimmt er nicht ein: "Ein neues Gesetz kann ein Riesenschritt nach vorn sein, wenn der Senat darin etwas für Radfahrer, Fußgänger und Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel tut", sagt Strößenreuther. Für mehr, bessere und vor allem sicherere Radwege müssten auch Parkplätze und Fahrspuren weichen. Und überhaupt, der wünschenswerte Wandel wäre: "Man muss von den Hauswänden in Richtung Mitte planen." Also nicht eine breite Straße bauen, und was dann noch an Platz übrig sei, werde Gehweg, sondern erst einmal Geh- und Radwege schaffen, und die Gehwege bitte so breit, dass zwei Kinderwagen mühelos aneinander vorbeipassen, und was dann übrig sei, könne Straße werden. So gesehen ist Franziska Giffey genau auf dem richtigen Weg. In ihrem Bezirk wird gerade die Karl-Marx-Straße saniert. Es entstehen Radwege, dafür fallen Parkplätze weg.

Strößenreuther hat vor Jahren einen "Flächengerechtigkeitsreport" erstellt mit dem Ergebnis, dass Autofahrer von der Verkehrspolitik bisher unangemessen protegiert werden. Sein Fahrrad-Volksentscheid sammelte in Rekordzeit 100 000 Unterschriften. Nach der süßen Offensive am Freitag kommt die Truppe am Freitag gegen 18 Uhr erneut vors Rote Rathaus, um der Koalition einzuheizen – mit Livemusik und "chilligen Beats".

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