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Berlin: Verkehrsüberwachung: Weniger Arbeit für die Richter

Der Rückgang der Verkehrsüberwachung in Berlin hat im vorigen Jahr nach vertraulichen Feststellungen der Polizei sogar zu einer Stellenverminderung bei der Justiz geführt. Jedenfalls wurden in den Verkehrsabteilungen fünf Stellen bei der Amts- und Staatsanwaltschaft sowie drei Stellen bei den Verkehrsrichtern gestrichen.

Der Rückgang der Verkehrsüberwachung in Berlin hat im vorigen Jahr nach vertraulichen Feststellungen der Polizei sogar zu einer Stellenverminderung bei der Justiz geführt. Jedenfalls wurden in den Verkehrsabteilungen fünf Stellen bei der Amts- und Staatsanwaltschaft sowie drei Stellen bei den Verkehrsrichtern gestrichen. Dies sei im Zuge der Sparmaßnahmen im Etat geschehen, sagte Justizsprecher Carsten Ziegler dazu auf Anfrage. Bei der Auswahl dürfte die Arbeitsbelastung entscheidend gewesen sein. Die Zahl der Bußgeldverfahren in diesem Bereich ist in einem Jahr von 23 000 auf knapp 20 000 gesunken.

Im August hatte der Chef der Verkehrspolizei dem Tagesspiegel erläutert, in welchem dramatischen Umfang die Verkehrskontrollen 1999 in Berlin zurückgangen sind - aus Personalmangel. Das überall zu beobachtende Sinken der Verkehrsmoral habe inzwischen mit der gesunkenen "Entdeckungswahrscheinlichkeit" zu tun, formulierte damals der zuständige Polizeidirektor Wolfgang Klang.

Genau dieser Verfall der Verkehrsmoral ist kurze Zeit später von der Innenverwaltung gegenüber einem Tagesspiegel-Leser aber bestritten worden. "Wahrscheinlich" sei die Verkehrsmoral "nicht gesunken", schrieb ein Beamter im Auftrag des Senators an den verblüfften Leser.

Bei den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes wird inzwischen die Theorie vertreten, dass der Innensenator die finanziellen Defizite der Polizei möglichst nicht mehr an die Öffentlichkeit dringen lassen wolle. Die konkurrierenden Polizeigewerkschaften GdP und DPolG sind sich ausnahmsweise bis in die Wortwahl einig: Die Verkehrsmoral sinke, die Zustände auf den Straßen seien schlechter geworden. Dabei hat die Verfolgungsintensität der Polizei in diesem Jahr gegenüber dem miserablen Ergebnis von 1999 wieder etwas zugenommen. Sowohl bei Radarkontrollen als auch bei Laser-Messungen, Ahndungsverfahren und Sonderkontrollen gab es im ersten Halbjahr steigende Zahlen, erläuterte gestern Polizeioberrat Karsten Schlüter - "wieder eine positive Tendenz". So stieg die Zahl der Radarkontrollen von 3 965 auf knapp 4 700.

Der Rückgang der Verkehrsüberwachung im vorigen Jahr war zuvor spektakulär. Die Zahl der Tempo-Messungen war gegenüber 1998 um 22 Prozent, die Zahl der geahndeten Geschwindigkeitsüberschreitungen um 35 Prozent und die Vorschläge für Fahrverbote sogar um 47 Prozent zurückgegangen.

Besonders auffällig war der fast ständige Anstieg der Unfälle unter roten Ampeln ("Unfälle infolge Überfahrens von Lichtzeichenanlagen bei Rot") - ein kriminelles Phänomen, das man in der Stadt jeden Tag selbst beurteilen kann. Im vorigen Jahr waren es 1965 Unfälle mit 1028 Verunglückten, darunter acht Toten und 168 Schwerverletzten. Bis Ende August dieses Jahres war der Trend schon wieder leicht steigend. Gezählt wurden bis zu diesem Zeitpunkt 1358 Unfälle mit fünf Toten und 121 Schwerverletzten.

Schwarz gemalt wird die Situation auf den Straßen weiterhin von der Gewerkschaft der Polizei (GdP). GdP-Chef Eberhard Schönberg sagt im ausdrücklichen Gegensatz zum Innensenator, "mit Sicherheit" steige die Zahl der Autofahrer, die mit überhöhter Geschwindigkeit und unter Missachtung von Ampeln unterwegs sind. Immer noch sei die Polizei auch darauf angewiesen, alte Messgeräte der Volkspolizei zu benutzen, die sie nach der Einheit der Stadt übernahm. Die Verkehrspolizei könne "nicht mehr in ausreichendem Umfang vorbeugend tätig sein", erklärte Schönberg dem Tagesspiegel.

Auch die Rotlichtüberwachung ist nach seinen Worten harmloser als ihr Ruf. In jeweils 24 Stunden funktioniere sie durchschnittlich nur 2,3 Stunden. Es fehlten Kameras und das Personal, um die Wartung und den rechtzeitigen Ersatz der Filme sicherzustellen.

Von den 15 Kreuzungen, die mit Blitzanlagen ausgestattet sind, seien derzeit nur 12 unter Kontrolle. Eine Blitzanlage sei defekt, zwei Kreuzungen wurden umgebaut, so dass der Einsatz der Anlagen nicht mehr notwendig sei, sagte ein Verkehrsexperte der Polizei. Drei weitere Anlagen nehmen keine Frontfotos auf. Diese sind nach einem Gerichtsbeschluss aber erforderlich. Dennoch erhalten Verkehrssünder, die bei rotem Ampellicht auf eine dieser Kreuzungen fahren und fotografiert werden, einen Bußgeldbescheid. Die Polizei stellt aber die Verfahren gegen diejenigen ein, die das notwendige Frontfoto anfordern, sagte ein Polizeibeamter.

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