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Vorbild Google. Ähnlich wie bei Street View will der Senat ein Kamerafahrzeug durch die Stadt schicken, das hoch aufgelöste Bilder aller Verkehrswege erstellen soll. 

© picture alliance / dpa

Verkehrsverwaltung plant digitales Kataster: Senat will sämtliche Straßen und Wege in Berlin fotografieren

Das Kamera-Auto einer Privatfirma soll alle Straßen und Wege in Berlin dokumentieren – ähnlich wie Google Street View. Die Datenschutzbeauftragte fürchtet Missbrauch.

Die Verkehrsverwaltung will Berlin vermessen. Dazu sollen Autos mit Kameras durch sämtliche Straßen und Wege fahren und fotografieren, so ähnlich wie bei bei Google Street View. Die Ausschreibung läuft derzeit. 

Bevor das Spezialauto losgefahren ist, gibt es bereits einen heftigen Zusammenstoß. Die Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk kritisierte am Montag im Datenschutzausschuss des Abgeordnetenhauses, dass sie bislang nicht einbezogen worden sei, obwohl personenbezogene Daten und möglicherweise Bewegungsprofile erhoben werden könnten. Zuerst hatte dies der Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint berichtet. 

Die Sprecherin von Berlins Datenschutzbeauftragter Maja Smoltczyk bestätigte am Dienstag dem Tagesspiegel, dass es bislang keine Kontaktaufnahme der Verkehrsverwaltung gegeben habe. „Wir können das Projekt nicht beurteilen, weil wir keine Informationen haben“, sagte Dalia Kues. Smoltczyk habe eine Stellungnahme der Verkehrsverwaltung angefordert. Wenn die da sei, „gucken wir uns das an“.

Die Verkehrsverwaltung widersprach dieser Darstellung: „Die Datenschutzbeauftragten sind von Anfang an kontaktiert worden“, wiederholte Jan Thomsen, Sprecher von Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne), am Dienstag.

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Darum geht es genau: Eine EU-weite Ausschreibung zur sogenannten „Befahrung des Straßennetzes Berlin“ ist im Dezember veröffentlicht worden. Bis März können Angebote abgegeben werden. 

Es soll ein „in dieser Qualität bisher nicht vorhandener Datensatz“ für alle mit Straßenbau und -verkehr befassten Senats- und Bezirksverwaltungen erstellt werden. Es gehe um „berlinweit einheitliche Bilddaten zum Straßenbestand“ beispielsweise Markierungen für Fuß- und Radwege sowie Fahrbahnen, Verkehrszeichen und Möblierung (wie Wartehäuschen und Radabstellanlagen). 

Auch alle Schilder, Lichtraumprofile und Brücken werden fotografisch dokumentiert. Abgefahren werden nicht nur das öffentliche Straßenland, sondern zum Beispiel auch Parkwege. Das Ganze soll einen „sechsstelligen Betrag“ kosten, genauer wurde die Verkehrsverwaltung nicht.

Thomsen sagte, dass lediglich ein „verwaltungsinterner Bilddateibestand“ entstehe, der „anonymisiert wird in Bezug auf Personen und Autokennzeichen“. Dafür gebe es „bewährte Verfahren“, nämlich von der letzten Straßenbefahrung, die laut Behörde in den Jahren 2014/15 stattfand. Seither habe sich Berlin enorm verändert, und die Technik könne heute viel mehr Details erfassen. Dies seien zwei Gründe für die Neuausschreibung.

Die Qualität von Google reicht nicht 

„Dieser Datenbestand ist nicht mehr ausreichend“, teilte Thomsen mit. Andere – private – Datenquellen seien nicht brauchbar „und qualitativ auch nicht vergleichbar“, hieß es. Die Bilder von Google Street View für das Land Berlin sind noch viel älter, sie stammen nach Angaben der Verwaltung aus dem Jahr 2008. Gestritten hatte Berlin damals schon. Auch Google Street View hat (fast) alle Gesichter und Autokennzeichen gepixelt. Hauseigentümer konnten der Abbildung ihrer Fassade widersprechen.

Aktuell finden Testfahrten mit interessierten Firmen statt. Eine von ihnen hat auf der Ausschreibungsplattform angefragt, ob darüber die Bürger „zuvor informiert“ werden müssen. Antwort der Senatsverwaltung: Nein, das sei nicht erforderlich. Es gelte die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU. Für Testfahrten müsse niemand vorher informiert werden. Eine Unbedenklichkeitserklärung zur Absicherung der Firmen will die Verwaltung aber nicht erteilen.

Verpixelung soll automatisch erfolgen

Eine andere interessierte Firma stellte fest, dass es in der EU „keine konkreten Regelungen speziell für Panoramabildbefahrungen“ gibt und fragt, wie in den „Panoramabildern Gesichter und Kennzeichen zu verpixeln“ seien. Antwort: Der „Verpixelungsgrad der Bilddaten“ könne „mit heute verfügbaren technischen Verfahren automatisiert erreicht werden“.

Schon im vergangenen Jahr hatte die Verkehrsverwaltung das 2700 Kilometern lange Hauptstraßennetz abfahren lassen. Ein Spezialfahrzeug des TÜV Rheinland untersuchte zwischen April und September den Zustand von 2700 Kilometer Fahrbahnen auf Hauptstraßen. 

Die Daten sollen der Planung von Sanierungsarbeiten und dem Aufspüren von Schlaglöchern dienen. Dazu wurden „hochauflösende verzerrungsfreie und maßstabsgetreue Bilddarstellungen, sogenannte Orthofotos, erzeugt“, wie die Verwaltung mitgeteilt hatte. Zudem wurden „Streckenfotos aufgenommen, die der Orientierung für die Auswertung dienen“.

Für Gehwege oder Radwege war diese Erfassung nicht geeignet, dies soll nun nachgeholt werden. Wenn die Datenschutzbeauftragte zustimmt.

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