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Berlin: Verkrustet, überaltert, reformresistent

Ein Gutachten fordert von der Akademie der Künste grundlegende Veränderungen und schlägt vor, einen Intendanten als Kontrollinstanz zu berufen

Mit ihrer Mitgliederversammlung feierte sich die Akademie der Künste an diesem Wochenende selbst. Doch hinter den Kulissen sieht es sehr schlecht aus. Mangelnde Kooperation und Kommunikation, unklare Zuständigkeiten und massive Widerstände gegen jede Veränderung attestiert der Einrichtung ein bisher unter Verschluss gehaltenes Gutachten, das die Akademie selbst in Auftrag gegeben hat und aus dem das 3satMagazin „Kulturzeit“ heute Abend (19.20 Uhr, 1.20 Uhr) exklusiv zitiert. Die Expertise urteilt auch, die Akademie sei überaltert, und fordert dringend Reformen. Doch ohne Druck von außen, so ist zu lesen, sei die Institution nicht reformbereit. Ihr Präsident Adolf Muschg sagte gegenüber dem Magazin Kulturzeit, er wolle die Probleme sensibel angehen, nicht jedoch nach den Regeln „des Handbuchs der Betriebswirtschaft.“

Elf Millionen Euro hat die Akademie der Künste bislang von den Ländern Berlin und Brandenburg erhalten. Zum Jahreswechsel übernimmt der Bund die Einrichtung. Kultur-Staatsministerin Christina Weiss will hingegen die Tradition der Nicht-Einmischung pflegen: „Die Übernahme durch den Bund bedeutet nicht das Aufgeben, sondern die Bekräftigung und Garantie der geistigen Unabhängigkeit.“ Das gelte auch für die innere Struktur der Akademie. Doch gerade dort sieht das Gutachten des TU-Professors Heiner Legewie den größten Reformbedarf. Der innere Zustand der Akademie sei bisher recht gut nach außen kaschiert worden. Von Legewie befragte Mitglieder und Mitarbeiter wünschten sich einen stärkeren Reformdruck von außen, in erster Linie durch die Politik. Legewie schlägt als gravierendsten Schritt die Berufung eines Intendanten vor, der den ehrenamtlichen Präsidenten unterstützen und die inhaltliche wie administrative Arbeit der Akademie koordinieren soll.

Bislang arbeiteten die sechs künstlerischen Abteilungen autonom, Kooperationen mit den anderen sind selten oder kämen gar nicht vor. Ineffiziente Gremien und unklare Zuständigkeiten verschlechterten die Arbeit der rund 150 Mitarbeiter zusätzlich. Viele Ideen sterben laut Gutachten auf dem Dienstweg oder unter dem Staub, den sie auf den Schreibtischen ansetzen. Obwohl die befragten Mitglieder und Angestellten der Akademie die Abteilungsstruktur nicht aufgeben wollten, kommt Legewie zu dem Schluss, dass die Autonomie zumindest überdacht werden sollte. Für Adolf Muschg, der im Mai diesen Jahres die Nachfolge von György Konrád antrat, ist das ein „ernstes Problem“:„Ich bin dabei herauszufinden, welche Friktionen fruchtbar sind und welche abgebaut werden müssen.“

Auch für die 350 Mitglieder der Akademie sieht Legewie Reformbedarf. Die Interviews des Gutachters haben ergeben, dass viele Mitglieder nur ein- bis zweimal im Jahr an Versammlungen teilnehmen. Die meisten erschienen überhaupt nicht, und 50 Prozent stünden nur auf dem Papier. Außerdem beklagt das Gutachten die Überalterung und Männerdominanz, schlägt eine Mitgliedschaft auf Zeit für junge Künstler vor, die neue Ideen in den Apparat bringen könnten. Der 69-jährige Muschg sieht das anders: „Diese Erfahrung ist nicht ersetzbar, die Aura der Mitglieder unentbehrlich.“ bmm/ oew

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