zum Hauptinhalt

Berlin: Verlorene Pracht der Kaiserzeit Der frühere Landeskonservator Helmut Engel hat über die Architektur an der Spree geschrieben.

Berlin und seine Bauten – das ist eine lange Erfolgsgeschichte und ein unendliches Trauerspiel. Großartige Architektur entstand und verschwand nach kurzer Zeit.

Berlin und seine Bauten – das ist eine lange Erfolgsgeschichte und ein unendliches Trauerspiel. Großartige Architektur entstand und verschwand nach kurzer Zeit. Was heute noch steht, ist ein schwacher Abglanz einstiger Pracht. Erfasst ist dieses wertvolle Erbe in einer Baugeschichte Berlins, die der frühere Landeskonservator Helmut Engel und heutige Geschäftsführer der Stiftung Denkmalschutz Berlin nach und nach in drei Bänden veröffentlicht.

Als Erstes ist im vergangenen Jahr der zweite Teil erschienen. Darin wird die Zeit von 1861 bis 1918 analysiert, die Ära Kaiser Wilhelms I. bis zur Abdankung Kaiser Wilhelms II. In den knapp 60 Jahren kaiserzeitlicher Baukultur erlebte die erst preußische, dann deutsche Hauptstadt den Sprung zur Millionenmetropole. Viele Arbeit Suchende zogen aus allen Himmelsrichtungen in die politische und wirtschaftliche Metropole des neuen deutschen Reiches. Andererseits lebte damals alles, was Macht, Ansehen und Geld hatte, in Berlin. Das soziale Gefälle schlug sich auch im Bauwesen nieder. Zwischen den kaiserlichen Prunkbauten und den Villenvierteln der Eliten auf der einen Seite und den Elendsvierteln klafften Architektur und soziale Realität auseinander.

Untermauert werden die sachkundigen Beschreibungen von Arbeiten bekannter Architekten und Stadtplaner durch zahlreiche Fotos, Aufrisse und Lagepläne. Sie zeigen, wie sehr man sich bemühte, Größe und Bedeutung etwa durch bauliche Anleihen aus Renaissance und Barock zu unterstreichen und ganz profanen Häusern Glanz und Größe zu verleihen. Selbst Schulen und Krankenhäuser sahen aus wie barocke Paläste. Vieles ist von der Pracht verloren gegangen, es lohnt sich aber, in das Buch zu schauen und Vergleiche zwischen damals und heute anzustellen.

Das Buch erfasst im Wesentlichen das alte Berlin in seinen Grenzen bis zu den Eingemeindungen von Spandau, Charlottenburg und Köpenick und einigen Dörfern im Jahr 1920. Viele in Helmut Engels instruktiver Bau- und Kulturgeschichte beschriebene Gebäude, Straßen und Plätze existieren nicht mehr. Im Zweiten Weltkrieg und später bei Abrisswellen in West und Ost wurden unzählige Bauten zerstört – Ministerien und Mietskasernenviertel, Bahnhöfe und Banken, Kirchen und Kaufhäuser, Schulen, Theater und unzählige Wohnhäuser.

Was aus dem Werk von Architekten wie Hermann Blankenstein, Paul Wallot, Martin Gropius, Ludwig Hoffmann, Ernst von Ihne, Alfred Messel oder Peter Behrens erhalten blieb, zeugt noch heute von Prachtentfaltung und großem baukünstlerischen Können. Bauten wie das Reichstagsgebäude, das Herrenhaus, das Rote Rathaus und das Alte Stadthaus, der Dom, die Museumsinsel, dazu Theater, Fabriken, Brücken, die eng bebaute Wohnviertel und manche Villen in Randlage blieben erhalten oder wurden in reduzierter Form aufgebaut.

Nach Ende der Monarchie war dieses Erbe heftiger Kritik ausgesetzt. Wie man damit umging, wird Engel demnächst im dritten Band seiner Trilogie darstellen, der die Zeit von 1918 bis heute umfasst. Als Letztes erscheint dann der erste Band über die Bauten aus der Zeit des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm bis zum „Romantiker auf dem Thron“ Friedrich Wilhelm IV., der 1861 starb.

— Helmut Engel: Baugeschichte Berlin, Umbruch, Suche, Reformen 1861-1918. Sonderband Meisterwerke Berliner Baukunst, Stiftung Denkmalschutz Berlin (Hrsg.), Jovis Verlag, Berlin 2004, 416 Seiten, 68 Euro.

Helmut Caspar

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false