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Coffee to go - Latte Macchiato im Pappbecher.

© Thilo Rückeis

Verpackungsmüll in Berlin: Umweltpolitiker schlagen Steuer auf Kaffeebecher vor

Coffee-to-go-Becher und Pizzapappen sollten 20 Cent mehr kosten, finden Umweltpolitiker von SPD und CDU. So könnte Müll vermieden werden. Der Senat sieht rechtliche Probleme - und die Grünen schimpfen.

In den 80er und 90er Jahren wurde gegen die „Wegwerfgesellschaft“ zu Felde gezogen, damals gab es noch gar keine Kaffeebecherschwemme. Heute nennt sich das Phänomen „Coffee to go“, und Alt-Ökos aus den 80er Jahren schlürfen selbst ihren Spezial-Latte aus fair angebauten Bohnen aus der Einwegpappe.

Ausgerechnet die Umweltpolitiker von SPD und CDU, Daniel Buchholz und Danny Freymark, wagen jetzt einen ungewöhnlichen Vorstoß: Eine Steuer auf Kaffeebecher und Pizzapappen von 10 bis 20 Cent pro Stück. Da käme bei geschätzt 280 Millionen Kaffeebechern pro Jahr in Berlin (laut Verbraucherzentrale) ein hübsches Sümmchen zusammen: 56 Millionen Euro, bei 20 Cent pro Becher. Daniel Buchholz würde das zusätzliche Steuergeld zweckgebunden einsetzen. In der Diskussion ist derzeit ohnehin, dass die Stadtreinigung sich künftig auch um den Müll in Grünanlagen kümmert, weil die Bezirke dafür kein Geld und Personal haben.

Die Berliner Stadtreinigung (BSR) will sich zu dem Thema nicht äußern. „Das ist eine politische Frage“, sagt Sprecherin Sabine Thümler. Klar sei, dass die Menge an Verpackungsmüll aus Kiosken, Imbissbuden und Bäckereien in den vergangenen Jahren angestiegen ist. Genaue Zahlen hat die BSR allerdings nicht. Theoretisch hätten die kommunalen Müllentsorger mit diesem Müll gar nichts zu tun. Mit Kunststoff beschichtete Pappen sind Sache des Dualen Systems Deutschland und gehören in die Gelbe Tonne. Nur stellt die im Stadtgebiet niemand auf, außer der Deutschen Bahn. Also landen die meisten Becher im Restmüll oder auf der Wiese.

Der Vorstand der CDU-Fraktion fand das Thema Steuer auf Pappen nicht ganz so charmant wie ihr Fachsprecher Freymark. „Die CDU-Fraktion verfolgt keine Erhebung einer Verpackungssteuer, sondern wird vielmehr intensiv über den richtigen Weg für mehr Sauberkeit in der Stadt beraten“, erklärt der parlamentarische Geschäftsführer Heiko Melzer.

Auch Freymark sieht eine Steuer inzwischen eher als „ultima ratio“. Besser sei es, über Anreizsysteme nachzudenken. Die Kette Starbucks bietet nach eigenen Angaben in ihren deutschen Filialen einen „Preisnachlass von 30 Cent auf Getränke an, wenn Gäste ihre eigenen Becher oder Trinkbehälter verwenden“. Das ist ganz im Sinne von Silke Gebel, der umweltpolitischen Sprecherin der Grünen-Fraktion. Gebel hält den Vorstoß aus der Koalition für „Symbolpolitik“ ohne nachhaltige Wirkung. Eine ähnliche Initiative in Sachen Plastiktütenvermeidung sei auch im Sande verlaufen.

Deutsche Umwelthilfe: Steuer ist zulässig

Müll ist in Deutschland auch ein rechtliches Problem. Seit es die komplizierte Verpackungsverordnung gibt, müssen kommunale Initiativen erst einmal auf Rechtssicherheit geprüft werden. Die Deutsche Umwelthilfe hat prüfen lassen und festgestellt, dass eine Abgabe oder Gebühr auf Verpackungen nicht zulässig wäre, wohl aber eine Steuer. Der Berliner Senat sieht das anders. Der Bundesgerichtshof habe 1998 eine Steuer als rechtswidrig eingestuft, sagt Martin Pallgen, Sprecher von Umweltsenator Andreas Geisel (SPD). Dieser Auffassung seien auch der Bund und die Mehrzahl der übrigen Bundesländer, heißt es in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Silke Gebel.

Verband der Systemgastronomie sieht keinen Effekt

Damit dürfte es eine neue Steuer schwer haben in Berlin. Überhaupt träfe sie ja vor allem Touristen, die schon die Bettensteuer zu tragen haben. Der Bundesverband Systemgastronomie findet die Idee aus Berlin auch nicht so überzeugend. „Wer 20 Cent mehr zahlt für den Kaffeebecher, wird deswegen nicht korrekter entsorgen“, sagt eine Sprecherin. Da müsse man bei der Erziehung ansetzen. Die Umwelthilfe hält dagegen. In Irland habe eine Steuer auf Plastiktüten zu einen „eklatanten Rückgang“ im Verbrauch geführt, sagt Kreislaufwirtschaftsreferentin Hanna Grießbaum.

Buchholz und Freymark wollen die Kaffeebecher weiter im Blick behalten, Steuer hin oder her. Im Umweltausschuss werde man das Thema demnächst auf die Tagesordnung setzen, vielleicht eine Anhörung der Umwelthilfe organisieren. Er spüre viel Rückenwind, sagt Buchholz. Ob der auch aus der Fraktion weht, ist noch unklar.

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