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Berlin: Verräter und Drohanrufe

Wie türkische Blätter über das Gedenken zum Genozid an den Armeniern berichten

Die ganze Woche über berichtete die Hürriyet groß über die bevorstehende Gedenkveranstaltung am Sonnabend im Abgeordnetenhaus und Berliner Dom zum 90. Jahrestag der Vertreibung und Ermordung der Armenier im Osmanischen Reich. Am Sonntag konnte der Leser die Nachrichten über die Veranstaltungen in Berlin leicht übersehen. „Er hat sich bei den Armeniern entschuldigt“, schrieb die Boulevardzeitung in der Überschrift der Meldung auf der ersten Seite der Europa-Beilage. Gemeint war der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber. Dieser hatte in seiner Ansprache im Berliner Dom das armenische Volk wegen der deutschen Beteiligung am Völkermord um Verzeihung gebeten. „Die armenischen Veranstalter ließen keine türkischen Journalisten rein“, schrieb die Milliyet in ihrer Nachricht.

Dagegen berichtete die Hürriyet am Sonntag auf ihrer Titelseite „exklusiv“ über die Vorbereitung zu der Gedenkfeier in Bremen. „Das passt nicht zu Deinem freundschaftlichen Wesen“, zitierte das Blatt in der Überschrift des Aufmachers einen „türkischen Freund“ von Bürgermeister Henning Scherf (SPD). Dazu zeigte die Zeitung ein Foto, auf dem die beiden Männer gestikulierend miteinander plaudern. Am gleichen Tag widmete die Stadt Bremen unter der Schirmherrschaft von Scherf einen bereits bestehenden Gedenkstein zum armenischen Denkmal um. „Dies ist der Stein des Hasses“, schrieb dazu die Hürriyet zuvor in ihrem bebilderten Aufmacher auf der Titelseite der Europa–Beilage.

Den kurdischstämmigen Politiker Giyasettin Sayan aus Berlin hat es in der vergangenen Woche am härtesten getroffen. Weil er befürwortet, dass die Bundesrepublik Deutschland den Völkermord offiziell anerkennt, bezeichnete die Hürriyet ihn am Freitag als den „Brutus unter uns“. „Seitdem werde ich am Telefon anonym als Bastard der Armenier beschimpft“, sagte der PDS-Abgeordnete des Abgeordnetenhauses gegenüber dem Tagesspiegel. Brutus war einer der Mörder des römischen Kaisers Julius Cäsar.

Suzan Gülfirat

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