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Berlin: Verschärft wandern

Die Power-Walker bereiten sich auf ihren dritten Marathon vor Auf der Strecke erkennt man sie an den Proviant-Rucksäcken

Von Thomas Loy

Wenn die einen 134 sind und die anderen sind fast 33 000, dann sind die einen sowas wie eine verschwindende Minderheit. Da muss man schon genau hinsehen, um die Minderheit nicht zu verpassen, wenn sie gerade vorbeikommt. Ein gutes Erkennungsmerkmal sind die kleinen Rucksäcke. Außerdem haben sie noch ein W vor der Startnummer, oder ein WF. Das sind dann die Walker und die Walker-Frauen. 200 hätten sich beim morgigen Marathon anmelden können. Daraus wurden dann nur 134. Wie das zu erklären ist, bei dem allgemeinen Andrang, weiß Helga Papenfuß auch nicht. „Wir sind eben eine Minderheit.“ Zum dritten Mal nehmen Walker am Marathon teil. Fünfeinhalb bis sechs Stunden brauchen die Gehsportler für die Distanz. Weil sie langsamer sind als die Läufer, gab es in den vergangenen Jahren kleinere Zwistigkeiten beim Überholen. Deshalb wird die Walker-Gruppe dieses Mal als Letzte starten.

Walken ist eine Art verschärftes Wandern und um einiges verträglicher als das Joggen. Optimale Fettverbrennung und kaum Gelenkverschleiß heißen die Stichworte. Walken sei die Alternative, sagen Walker, gerade für etwas fülligere Menschen. Helga Papenfuß, 63, leitet beim SCC die Vorbereitung. Zum heutigen Training sind nur drei Frauen und ein Mann erschienen. Ihre Jacken sind etwas dicker als bei den Joggern. Und sie haben Rucksäcke mit Proviant dabei.

Christel Schramm, 52 Jahre alt, legt einen äußerst forschen Walking-Stil an den Tag. Ihre Ellenbogen boxen dicke Wirbel in die Waldluft. Neun Kilo habe sie sich in diesem Jahr schon wegtrainiert. Ihr Mann Klaus hat sich jahrelang den Marathon angeschaut und dachte immer: Toll, aber viel zu anstrengend. Als dann die Walker zugelassen wurden, sah er seine Chance. Heute bekennt der Maschinenbauer: „Ich bin ein Walker.“ Vielen Männern käme dieser Satz nur sehr schwer über die Lippen. Walking gilt immer noch als Frauensport, als minderwertiger Joggingersatz für kurzatmige Anfängerinnen. Man werde auf den Joggerpisten durch den Grunewald allerdings nicht mehr belächelt wie noch vor Jahren, sagt Helga Papenfuß. Sie sagt allerdings auch, dass Power-Walken sich nur sehr langsam durchsetzt. Selbst sie zieht immer noch das Joggen vor. „Da ist mehr Action drin, mehr Bewegung.“

Christel und Klaus trainieren 60 bis 70 Kilometer in der Woche und walken inzwischen ihren dritten Marathon, bei Gisela Seifert, der Novizin der Gruppe, ist es morgen die Premiere. Sie ist bisher eher gewandert als gewalkt, geriet vor einigen Monaten aber an die Bücher von Laufpapst Strunz und fing an zu trainieren. Manchmal muss sie der Gruppe hinterhertrippeln, weil ihre Schritte nicht so weit reichen, aber den Marathon wird sie schaffen, meint sie. Klaus hat die Direktive ausgegeben: Auf jeden Fall vor dem Besenwagen, der die ermatteten Läufer von der Piste fegt, ins Ziel kommen. Nach anderthalb Stunden hat die Gruppe rund neun Kilometer zurückgelegt. Niemand ist außer Puste geraten. Einige Jogger haben gegrüßt, von Diskriminierung war nichts zu spüren. Klaus holt sich einen Riegel aus dem Rucksack – „Honig und Erdnüsse, nichts Künstliches“ – den hat er sich jetzt verdient.

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