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Am 28. November 2011 stellte Klaus Wowereit nach einer Sitzung der SPD-Gremien die Damen und Herren vor, die im rot-schwarzen Senat den Dienst antraten. Zweite von rechts: Sandra Scheeres.

© dpa

Versetzung gefährdet: Die schwierige Bilanz von Berlins Bildungssenatorin Scheeres

Berlins Bildungssenatorin Scheeres wollte den freien Schulen das Geld kürzen - nun ist ihr Plan gescheitert und sie selbst blamiert. Kritiker sagen, ihr fehle es an Faktenwissen, Geschick und Ideen. Und sogar ein prominenter Genosse macht ihr das Leben schwer.

Knapp zwei Jahre nach ihrem Amtsantritt hat Bildungssenatorin Sandra Scheeres ihren Newcomer-Kredit verspielt. Das jüngste Desaster um den schlecht vorbereiteten und noch schlechter kommunizierten Kürzungsplan bei den freien Schulen, das ungeschickte Agieren gegenüber den Lehrern und die fehlende Präsenz bei wichtigen Themen wie der Berufsschulreform geben jenen Skeptikern recht, die die SPD-Jugendpolitikerin von Anfang an für eine Fehlbesetzung hielten. „Wer weder die Fakten noch die Zusammenhänge drauf hat, kann auch nicht gestalten“, lautet eine verbreitete Einschätzung in ihrem Haus.

Bislang hatte sich die Kritik in Grenzen gehalten, weil Scheeres niemandem wehtat. All jene, die sich von der „professoralen Arroganz“ ihres Vorgängers Jürgen Zöllner (SPD) gestört gefühlt hatten, atmeten auf und lobten die „verbesserte Kommunikation“. Auch das Verschieben der Inklusion im Jahr 2012 wurde ihr zugute gehalten. In letzter Zeit wuchs allerdings die Ungeduld mit der Senatorin, weil sie im Streit mit der Lehrergewerkschaft GEW und im Zusammenhang mit den neu entfachten Streiks keinen Ausweg aus dem Dilemma aufzeigt. Stattdessen sorgte sie im Frühjahr für neuen Ärger mit der ungeschickten Aktion, die Einführung zusätzlicher Präsenztage in den Ferien auch noch als eine der „Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs“ zu präsentieren. Vor diesem Hintergrund bekommt die aktuelle Auseinandersetzung mit den freien Schulen besondere Brisanz, denn dieser Vorstoß ist die erste einschneidende Neuerung in ihrer Amtszeit, die weder von der Koalitionsvereinbarung noch vom Vorgänger Zöllner initiiert worden war.

Der erste eigene Vorstoß von Bildungssenatorin Sandra Scheeres wurde kassiert

Ein wenig Schadenfreude war bei der CDU nach der Senatssitzung am Dienstag dann schon zu spüren. Das Einkassieren der Pläne, die die SPD ohne Rücksprache mit dem Koalitionspartner gemacht hatte, nahmen die Christdemokraten kopfschüttelnd zur Kenntnis. „Kleinlaut“ hätten die SPD-Senatoren in der dienstäglichen Senatsrunde dagesessen. Scheeres fehlte wegen eines familiären Notfalls, Staatssekretär Mark Rackles vertrat sie. Dass die Bildungsverwaltung blamiert sei, liege daran, dass der Plan „unmöglich eingetütet wurde“, hieß es aus Koalitionskreisen. Rücktrittsforderungen waren allerdings weder auf SPD- noch auf CDU-Seite zu hören.

Scheeres hatte es schon vor ihrem Amtsantritt nicht einfach. Sie war zweite oder dritte Wahl: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) holte sich nach der Abgeordnetenhauswahl mehrere Absagen, bis er die gebürtige Düsseldorferin, die 2006 mit Direktmandat in Pankow ins Abgeordnetenhaus eingezogen war, als Nachfolgerin von Zöllner präsentierte. Wowereit ist deshalb sichtlich bemüht, „seine“ Kandidatin nicht zu beschädigen und bei den Haushaltsverhandlungen zu unterstützen. Scheeres kam auch zugute, dass die SPD das Thema Bildung ganz oben auf ihre Agenda gesetzt hatte. Bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes wurde ihr Etat sogar noch aufgestockt. Etwa 4,6 Milliarden Euro werden 2014 für Bildung, Jugend, Wissenschaft ausgegeben – rund 300 Millionen Euro mehr als 2013.

Sandra Scheeres hat ein Mammutressort, kaum etwas worum sie sich nicht kümmern muss

Doch mangele es Scheeres „an Gespür, wo und was man machen kann“, heißt es. Zwei Wochen vor der Bundestagswahl, die natürlich auch in Berlin die Befindlichkeiten in der Koalition beeinflusst, ein so brisantes Thema wie die freien Schulen anzugehen, kommentiert selbst SPD-Bildungspolitikerin Renate Harant mit dem Ausdruck „Kriegsschauplatz“.

In der Koalition billigt man Scheeres allerdings auch zu, dass sie ein Mammutressort hat, vom Thema Familienzentrum bis zur Charité. „Sich in so einem diversifizierten Bereich Sachverstand anzueignen, ist nicht einfach“, sagt ein erfahrener Bildungspolitiker, der den Schluss zieht: „Wenn man sachlich kompetent ist, kann man sich besser durchsetzen“.

Sachlich kompetent ist die gelernte Erzieherin und studierte Diplom-Pädagogin im Jugendbereich. Dort erfährt sie auch die größte Anerkennung. „Der Jugendhilfebereich ist deutlich gestärkt worden, seit Sandra Scheeres im Amt ist“, sagt etwa Roland Kern, Sprecher des Dachverbandes Berliner Kinder- und Schülerläden. Kritiker monieren aber, dass mehr auf die Qualität der Einrichtungen und vor allem der Erzieher geachtet werden müsse. Wegen des Mangels an Fachkräften setzt Scheeres nämlich zunehmend auf Quereinsteiger, und die Kita-Aufsicht ist unterbesetzt.

Probleme bereiten Scheeres auch die Vorstöße von SPD-Fraktionschef Raed Saleh, der sich offenbar auf Kosten der Senatorin profilieren will. Als Scheeres die Inklusion 2013 starten wollte, nahm ihr Saleh das Geld weg, um sein Brennpunktschulprogramm starten zu können. Es war nicht das einzige Mal, dass der Fraktionschef an der Senatorin vorbei Politik machte. Im Sommer überrumpelte er sie, als er eine Kita-Pflicht forderte, obwohl bereits mehrere Gutachten festgestellt hatten, dass dies verfassungswidrig wäre. Scheeres konterte mit einem Gegenvorschlag – der allerdings von ihrem Vorgänger Zöllner entwickelt worden war.

Wie sich Sandra Scheeres im Feld der Wissenschaft schlägt lesen Sie hier.

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