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versöhnungskirche

© epd/Hauswald

Versöhnungskirche: Streit um die Trümmer

In der Mauergedenkstätte diskutierten Fachleute über die Sprengung der Versöhnungskirche. Die Kirche im Todesstreifen war vor 23 Jahren auf Befehl des DDR-Regimes zerstört worden.

Der Pfarrer ließ den Kopf auf den Tisch sinken. Was dieser Historiker ihm da an Vorwürfen machte, strapazierte Manfred Fischers Geduld. Der Pfarrer der Versöhnungsgemeinde – schuldig an der Sprengung der Kirche auf dem Mauerstreifen? Das schien ihm dann doch eine sehr rabiate Art der Vergangenheitsbewältigung zu sein – und grundfalsch dazu.

An die hundert Menschen hatten sich am Mittwochabend in der Mauergedenkstätte eingefunden, um über „Das Kreuz mit der Sprengung“ zu streiten. 23 Jahre ist es her, dass das Kirchenschiff und der Turm der Kirche im Mauerstreifen auf Anordnung des DDR-Regimes gesprengt wurden. Aber die moralische Schuldfrage bewegt viele – und hat einen aktuellen Unterton. Fischer, der Pfarrer aus dem Westen, der sich um den West-Berliner Teil der Gemeinde kümmerte, führt auch die Geschäfte der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße. Er ist im Gespräch als Geschäftsführer der neu zu gründenden Stiftung Mauergedenken.

Fischers Anteil an der Aufgabe des Versöhnungskirchengebäudes im Todesstreifen hat der Historiker Christian Halbrock in einer 126 Seiten langen Studie dargelegt. Wer das Papier liest, hat den Eindruck, dass Fischer tat, was sogar konservative West-Politiker Mitte der Achtziger für richtig hielten: Er setzte auf Wandel durch Annäherung. Jedenfalls stellte er sich nicht stur, als ein Tauschgeschäft mit dem Regime möglich wurde: Das verfallende, seit dem Mauerbau nicht mehr nutzbare Kirchengebäude gegen ein Grundstück im „sozialistischen“ Neubaugebiet Hohenschönhausen, für ein kirchliches Gemeindezentrum.

Heftig wurde der Streit, weil Halbrock mündlich sehr viel weiter ging als in seinem Text: Fischer, so argumentierte er, habe den DDR-Behörden durchaus „Mithilfe“ geboten und „Vorleistungen“ gebracht. Dass er im Ton dem Pfarrer gegenüber schärfer geworden ist, begründet der in der Birthler-Behörde forschende Historiker mit neuen Erkenntnissen. Die laufen darauf hinaus, dass Fischer in seiner Darstellung lange so getan habe, als sei die Gemeinde der Versöhnungskirche von ihrem DDR-Gegenüber, dem Konsistorialpräsident Manfred Stolpe, zu dem Tausch getrieben worden.

Die Wahrheit, das zeigte der Abend, ist grau. Halbrock sagte: Die Bereitschaft zur Aufgabe der Kirche war vor Stolpe da. Fischer sagte: Es wäre so viel einfacher gewesen, dem Abriss des Gebäudes nicht zuzustimmen – symbolischer Widerstand! Bloß hätten die Glaubensbrüder im Osten davon nichts gehabt.

Ganz am Anfang des Abends hatte der Pfarrer und Bürgerbewegungs–Mann Ehrhart Neubert auf die ihm eigene vehemente Art mit dem Abrisse gehadert: „Ich fand das einen absoluten Frevel, dass das passiert ist!“ Doch Neubert freut sich auch noch immer daran, dass es nun eine Kapelle am Ort der Kirche gibt. Er gab sich ganz versöhnt. wvb.

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