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Verspätete Ausschreibung: Zweifel am Nutzen der Schülerdatei

Mit Hilfe einer Software soll der Unterricht an Berlins Schulen in Zukunft besser planbar und Schulschwänzer leichter zu überführen sein. Politiker und Schulleiter sind davon nicht begeistert.

Die mehrfach angekündigte Schülerdatei, die einen berlinweiten Überblick über Schüler- und Schuldaten ermöglichen soll, könnte noch später kommen. Außerdem wird die Datei nicht wie ursprünglich geplant auf einer einheitlichen Software basieren, stattdessen soll es den einzelnen Schulen überlassen bleiben, welche Programme sie nutzen. Der grüne Bildungsexperte Özcan Mutlu hält das für falsch. Damit werde die Datei ihren Zweck nicht erfüllen können, sagt er.

Derzeit läuft noch das Ausschreibungsverfahren für die Software. Die Datensammlung soll helfen, den Lehrerbedarf besser zu planen, auf Unterrichtsausfall schneller zu reagieren und Schülern das Schwänzen zu erschweren. Ob die Datei fürs Schuljahr 2011/12 eingesetzt werden kann, ist nicht absehbar. Ursprünglich war geplant, sie schon ab 2009 zu nutzen. Immerhin waren im vergangenen August Datensammler an allen Schulen unterwegs, um Infos per Hand einzugeben.

Die Schülerdatei ist eines der Schlüsselprojekte der Senatsbildungsverwaltung. Sie soll 16 Daten wie etwa Name, Anschrift, Infos zu auffälligem Schwänzen oder Schulanmeldungen erfassen. Die Informationen sollen von den Schulen selbst eingegeben und an zentraler Stelle in der Verwaltung abrufbar sein. Die Zusammenarbeit mit Justiz- und Strafverfolgungsbehörden ist dabei streng geregelt. Diese sollen im Gegensatz zu den Schulplanern keinen Onlinezugriff auf die Daten haben, jedoch Antworten auf einzelne Fragen bekommen. Inwieweit die Kooperation mit anderen Behörden schon abgesprochen ist, war gestern aus der Schulverwaltung nicht zu erfahren.

Bislang hatte es geheißen, man wolle ein „zentrales Angebot“ für alle Schulen bei der Software schaffen. Nun steht aber in einer Ausschreibung der Bildungsverwaltung: Ziel sei, den 700 Schulen einen „Warenkorb an Software-Lösungen zur Verfügung zu stellen“, aus denen sie sich eine heraussuchen sollen. Die neue Software soll dann an die jeweils vorhandene elektronische Ausstattung der Schulen angepasst werden. „Das ist organisatorischer Dilettantismus“, rügt der Grüne Özcan Mutlu. Von der Verwaltung war gestern nicht zu erfahren, warum man den gesamten Auftrag nicht für einen Anbieter ausschreiben will.

Die in Frage kommenden bis zu zehn verschiedenen Anbieter geeigneter Software-Programme sollen selbst sicherstellen, dass die Systeme aller Schulen zusammenpassen und einen reibungslosen Datenaustausch gewährleisten. Der IT-politische Sprecher der Grünen, Thomas Birk, ist skeptisch. „Die Programme werden kaum kompatibel sein“, warnt er. Die Wartung und Entwicklung vieler unterschiedlicher Systeme seien ein „riesiger Aufwand“. Die Bildungsverwaltung hält dagegen, man plane ein „vernetztes und föderatives“ System. So könne man sicherstellen, dass den Schulen „Vorinvestitionen und Daten“ nicht verloren gingen.

Thomas Birk schätzt auch die veranschlagten Kosten als unrealistisch ein. Für die Software aller Schulen sind maximal eine halbe Million Euro vorgesehen, pro Schule also rund 700 Euro. „Professionelle Lösungen sind damit nicht zu bekommen“, meint Birk. Langfristig kämen unterschiedliche Programme zudem viel teurer als ein einheitliches System für alle Berliner Schulen.

Paul Schuknecht, Vorsitzender der Berliner Schulleitervereinigung, reagierte gestern „entsetzt“ über die neuen Pläne. Bereits vor vier Jahren sei den Schulen eine sichere Hard- und einheitliche Softwarelösung versprochen worden. Dies hätte sie erfreulich entlastet, nun aber müsse jede Schule für sich selbst „basteln“.

„Solange die Datensicherheit gewährleistet ist, begrüße ich alle Lösungen, die eine rechtzeitige Ermittlung des Lehrerbedarfes sicherstellen“, sagt hingegen der Vorsitzende des Landeselternausschusses, Günter Peiritsch. Kritiker der jetzigen Lösung halten aber auch die Datensicherheit für gefährdet. Ein dezentrales System könne dies kaum gewährleisten, widerspricht Thomas Birk.

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