zum Hauptinhalt

Berlin: Verspekuliert

Finanzmanager wegen Veruntreuung von 650000 Euro Kundengeldern vor Gericht

Als ausgesprochen bescheiden sieht sich der Bankfachwirt. Keinerlei Luxus habe er sich gegönnt, sagt Karsten R. vor dem Landgericht. Kein Haus, kein Auto und keinen Schmuck. Im Dienste seiner Kunden habe er bis zu 16 Stunden am Tag gearbeitet. Sie hätten ihm förmlich die Tür eingerannt. „Die Menschen werden schnell gierig und tragen einem sogar das Geld nach“, nuschelt der Angeklagte. Wo allerdings die 650000 Euro geblieben sind, die er veruntreut haben soll, kann er im Einzelnen nicht so genau erklären.

Der 35-jährige Karsten R. war früher bei der Bankgesellschaft Berlin tätig und hatte sich dann als Anlageberater selbstständig gemacht. Er glaubte, sein Handwerk gut zu beherrschen. Als Chef von zwei Finanzdienstleistungsgesellschaften jonglierte er zwischen 1999 und 2001 schließlich mit großen Beträgen. Der Anklage nach hatte er seinen Kunden Aktiengeschäfte vorgeschlagen. Sie sollen auf sein Geheiß Konten bei einer Broker AG eröffnet haben. Mit ihren Vollmachten aber wirtschaftete er dann eigenständig und aus Sicht der Staatsanwaltschaft auch in die eigene Tasche. 31 Geldanleger sollen so geschädigt worden seien.

Mehrfach betont der hagere Angeklagte mit Brille und Drei-Tage-Bart: „Ich habe mich aber nicht bereichert.“ Zwar habe er sich der Veruntreuung schuldig gemacht. Er habe mit diesen Summen jedoch vor allem Gelder an andere Kunden zurückgezahlt, die ihn zum Teil wochenlang „belästigt und bedrängt“ hätten. „Der psychische Druck war so groß, ich konnte dem nicht mehr standhalten.“ Um „Altschulden“ zu begleichen, habe er dann auch an der Börse gezockt – und sei noch tiefer in den Schlamassel geraten.

Seinen früheren Kunden wirft er heute vor, sie hätten es ihm leicht gemacht. Zur Zeit des damaligen Börsenbooms seien sie zum Teil mit Bargeld in sein Kreuzberger Büro gekommen. Finanzmanager R. investierte schließlich in spekulative Wertpapiergeschäfte, um bereits entstandene Verluste auszugleichen. „Es ist mir nicht gelungen“, sagt er vor Gericht.

Und vor dem Gerichtssaal spielt er sich doch tatsächlich wieder als Berater auf. „Schwarze Schafe sind auf dem Finanzmarkt immer unterwegs“, mahnt der Angeklagte. Sein Rat: „Kontrolle ist das Wichtigste. Immer fragen: Was ist mit meinem Geld? Und lieber auf ein paar Prozente verzichten.“ Der Prozess gegen den Mann, der sich nach seinem geschäftlichen Scheitern selbst der Polizei gestellt hatte, wird am Freitag fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false