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Berlin: Versucht’s mal mit Gemütlichkeit

Kalt wird es und dunkel, und die Viren fliegen nur so – wie kommt man heil an Körper und Seele durch den Winter? Fünf Ärzte aus den verschiedensten Fachrichtungen geben ihre Tipps

Das sagt der HNO-Arzt

Vor fünf Jahren sah es in meiner Praxis anders aus. Da kamen Patienten schon zu mir, wenn sie nur Anzeichen einer Erkältung zu spüren glaubten. Heute muss ich Nebenhöhlenentzündungen, Bronchitis und Lungenentzündungen behandeln, alles Folgen nicht ernst genommener und unbehandelter Erkältungen. Die Gründe für das Verschleppen sind bekannt: Druck am Arbeitsplatz, Angst vorm Jobverlust und vor sozialem Abstieg. Das kann ich nachvollziehen, trotzdem ist es falsch, abzuwarten. Wer eine Erkältung hat, soll zu Hause bleiben und sich auskurieren. Und nicht Pille A, B und C nehmen, sondern bloß Ruhe halten. Und mindestens drei Liter Flüssigkeit zu sich nehmen, gerne Husten-, Bronchial- oder Salbeitee mit ätherischen Ölen. Wer Fieber hat, kann Paracetamol oder Aspirin nehmen, aber erst ab einer Temperatur von 38,5 Grad. Denn grundsätzlich ist der Fieberreiz etwas Positives, die körpereigene Hitze hilft, die Erreger zu töten. Wenn die Erkältung nach drei Tagen nicht abgeklungen ist, sollte man zum Arzt gehen. Den „echten“ Grippe-Virus – die Influenza – muss man ernst nehmen. 10 000 Deutsche sterben jedes Jahr an Grippe, deshalb sollten sich gefährdete Menschen impfen lassen (siehe Kasten). Im letzten Winter sind rund 860 000 Deutsche an Grippe erkrankt, und das war noch eine vergleichsweise harmlose Saison: Im Winter davor waren es 5,5 Millionen.

Torsten Bätz, Vorsitzender des HNO-Verbundes Berlin

Das sagt der Sportmediziner

Wer Infekten vorbeugen will, muss in Bewegung bleiben. Sport und Gymnastik regen nicht nur den Kreislauf an, sondern stärken auch das Immunsystem: Alle Organfunktionen des Körpers werden angeregt, durch den höheren Puls gelangt mehr Sauerstoff in die Organe. Auch die Produktion der Immunglobuline, die Viren bekämpfen, und der weißen Blutkörperchen, die Bakterien abtöten, wird gesteigert. Davon abgesehen ist Bewegung auch für die Gelenke unentbehrlich – nur so werden sie mit Gelenkflüssigkeit versorgt. Optimal wären 30 bis 45 Minuten Sport an fünf Tagen die Woche. Weil das für viele nicht machbar ist, rate ich zumindest zu einem Morgenritual: Nach dem Aufwachen kurz das Gesicht unters kalte Wasser, dann ein fünf- bis zehnminütiges Gymnastikprogramm machen. Zur Not helfen auch Seilhüpfen, Armkreisen und Hüftkreisen.

Noch unverzichtbarer ist die Regelmäßigkeit beim Saunen. Wer im Winter einmal pro Woche in die Sauna geht, stärkt das Immunsystem, durch die künstliche Erhöhung der Körpertemperatur werden – einem Fieberreiz ähnlich – Viren und Bakterien im Körper abgetötet. Wer aber bloß einmal im Monat in die Sauna geht, überlastet den Körper und fängt sich leicht eine Erkältung ein. Vor, während und nach dem Saunen sollte man Flüssigkeit zu sich nehmen.

Aus sportmedizinischer Sicht ist im Winter auch die richtige Ernährung von Bedeutung. Es kommt darauf an, dem Körper viel Wärme zuzuführen. Wer friert, kann sich erkälten. Deshalb lohnt sich morgens ein Müsli mit Hirse und Haferflocken, Birnen- und Apfelstücken und warmer Sojamilch. Es gibt auch welche mit Vanillegeschmack. Als Verfechter naturkundlicher, ganzheitlicher Medizin rate ich außerdem, viel Scharfes und wenig Saures zu essen. Denn das eine wärmt und das andere lässt einen frieren – man denke nur daran, wie es ist, in eine Zitrone zu beißen. Also öfters mal thailändisch, indisch oder mexikanisch speisen.

Michael Oppel, Arzt für Sportmedizin und Chirotherapie mit Praxis in Tiergarten

Das sagt der Dermatologe

Keine Jahreszeit schadet unserer Haut mehr. Zum einen ist die Winterluft trocken, aber das größere Problem ist die Kälte: Die kann dazu führen, dass an ungeschützten Körperteilen wie Gesicht oder Händen Zellen der oberen Hautschichten abgestoßen werden. Denn je niedriger die Temperaturen, desto mehr reduziert der Körper seine Durchblutung der äußeren Hautpartien. Um die beanspruchte Haut zu schonen, rate ich dringend: nicht zu häufig duschen. Drei Mal die Woche reicht, es sei denn, die Haut ist extrem fettig. Zum Duschen sollte man Mandelöl verwenden – und anschließend nicht abtrocknen, sondern nur in den Bademantel schlüpfen. Sehr gute Mandelölbäder gibt es in der Apotheke, bei manchen Drogerieprodukten bin ich skeptisch. Und für die Pflege zwischendurch gibt es eine Reihe empfehlenswerter, extra fettender Hautcremes, etwa solche mit Urea, also Harnstoff. Wer sowieso regelmäßig fettende Cremes benutzt, kann einen einfachen Trick versuchen: Tages- und Nachtcreme vertauschen, Letztere hat nämlich einen höheren Fettanteil.

Der Winter schadet aber nicht nur den ungeschützten Körperstellen. Man muss bedenken, dass der Großteil der Haut dick und meist luftdicht eingepackt ist. Das kann im Extremfall zu Entzündungen und Pilzbefall führen. Deshalb sollte man sich im Intimbereich und unter den Achseln täglich waschen.

Thomas Bauer, Dermatologe mit Praxis in Wilmersdorf

Das sagt die Heilpraktikerin

Die Homöopathie eignet sich hervorragend, um Erkältungssymptome zu bekämpfen. Das Grundprinzip: Ähnliches wird mit Ähnlichem bekämpft. Stoffe, die bei Gesunden zu Halskratzen führen, können bei Kranken genau diese Symptome lindern. Die Wahl des Mittels hängt also von der Art der Erkältung ab: Bei durchsichtigem Fließschnupfen hilft Natrium muriaticum, homöopathisch aufbereitetes Kochsalz. Beginnt eine Erkältung mit Halskratzen und bei großem innerlichen Stress, greift man zu Nux-Vomica, der Brechnuss. Beratung bekommt man zum Beispiel in der Galenus-Apotheke, Reinhardtstraße 5 in Mitte. Dort gibt es auch Taschenapotheken zu kaufen, die einige wichtige homöopathische Mittel beinhalten.

Auch die chinesische Medizin kennt wirkungsvolle Mittel gegen Erkältung. Zum Beispiel Ingwertee. Den zuzubereiten, ist einfach: Man nimmt drei Scheiben frischen Ingwer, je einen Millimeter dick, und stochert mit der Gabel einige Löcher rein. Dann legt man die Scheiben in eine Tasse, überbrüht sie mit kochendem Wasser und legt einen Deckel drauf. Nach spätestens zwanzig Minuten ist er fertig.

PS: Wer ohne Mütze unterwegs war, sollte einfach fünf Minuten den Kopf unter den Föhn halten.

Birgit Böhmig, Heilpraktikerin mit Praxis in Mitte

Das sagt der Psychotherapeut

Alle sprechen von Winterdepression, ich finde das problematisch. Weil dieser Begriff nahelegt, der Winter an sich mache depressiv. Ich denke, Lichtmangel und Kälte sind sekundär – wichtiger sind Advent und Weihnachtsfest und der damit verbundene Stress. In der Vorweihnachtszeit wird einem vieles bewusst: Sehnsüchte, Einsamkeit, Unsicherheit, Armut. Deswegen spreche ich lieber von weihnachtlich-winterlicher Depression. Das beste antidepressive Mittel: Bewegung. Und zwar draußen. Wenn man rumkommt und einem die Luft ins Gesicht bläst, hat das eine vitalisierendere Wirkung als das Laufband im Fitness-Studio. Die beste Form der Bewegung ist die gemeinsame. Wer alleine lebt, kann sich Laufgruppen oder Vereinen anschließen. Alles, was sozial verankert, hilft in den nächsten Monaten gegen Depressionen. Der zweite Tipp: Freiräume einplanen! Weil Weihnachtsstress auch Leistungsstress ist, sollte man zumindest Nachmittage freihalten. Was oft belächelt wird, kann Wunder wirken: sich einfach mal vor den Fernseher setzen und rumhängen.

Bernhard Palmowski, Landesvorsitzender der Dt. Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie

Aufgezeichnet von Sebastian Leber

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