zum Hauptinhalt

Berlin: Verwahrloste Kinder dank Nachbarin gerettet

Drei Geschwister in verdreckter Wohnung entdeckt. Das Lichtenberger Jugendamt wusste von nichts

Die Polizei sprach in ihrem Bericht von „eigentlich unbeschreiblichen Zuständen“. Und versuchte sich dann doch an einer Bestandsaufnahme: „Der Fußboden klebte, Kot und Urin waren allgegenwärtig, verschimmelte Essensreste, zerbrochenes Geschirr, schmutzige Wäsche“. Inmitten dieser „absolut katastrophalen hygienischen Zustände“ entdeckten die Beamten in einer Wohnsiedlung in der Lichtenberger Möllendorffstraße zwei Mädchen im Alter von vier und zehn Jahren sowie einen 15-jährigen Jungen. Die beiden Mädchen seien „nicht jahreszeitgemäß gekleidet“ gewesen, teilte die Polizei mit. Die Zehnjährige habe „lediglich eine Unterhose“ getragen, ihre vierjährige Schwester „lag in ihrem Bett und fror jämmerlich“.

Ihre Entdeckung verdankten die Kinder einer aufmerksamen Nachbarin. Die Frau hatte bemerkt, dass in der Wohnung im gegenüberliegenden Haus ständig die Fenster verhangen waren, abends aber Licht durch die Vorhänge drang. Einmal habe sie am Fenster ein Kleinkind gesehen, berichtete die Frau der Polizei. Weil sie in den Medien in letzter Zeit so oft von Fällen von Verwahrlosung gehört habe, habe sie die betreffende Wohnung aufgesucht und hinter der Tür Kinderstimmen gehört. Zunächst habe sie daraufhin versucht, zu Nachbarn Kontakt aufzunehmen. Als ihr das nicht gelang, alarmierte die Frau die Polizei.

Nachdem Beamte des zuständigen Abschnitts sich in der Nacht von Sonntag zu Montag Zugang zur Wohnung verschafft hatten, entdeckten sie die völlig verwahrlosten Kinder, deren Mutter sich zu diesem Zeitpunkt bei einer Tante aufhielt. Die Beamten ließen den 15-jährigen Jungen bei der Mutter anrufen, die daraufhin in der Wohnung erschien. Nach einem Gespräch wurden die Kinder zunächst im Krankenhaus untersucht und später dem Jugendamt übergeben. Gegen die Mutter wird nun wegen Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt, über den Vater ist der Polizei bislang nichts bekannt.

Das Jugendamt Lichtenberg war bislang nicht auf die Familie aufmerksam geworden und erfuhr von dem Fall erst durch die Polizei. Bezirksstadtrat Michael Räßler-Wolf sagte gestern dem Tagesspiegel, dass auch die Schule, die die beiden älteren Kinder besuchten, keine Auffälligkeiten gemeldet habe. Inzwischen habe das Jugendamt den Kontakt zur Mutter hergestellt, die 42-jährige Frau habe sich bereit erklärt, Hilfsangebote anzunehmen. Die Kinder seien derweil in die Obhut des Kindernotdienstes überstellt worden. Was mit ihnen geschehen soll, sei noch nicht entschieden. Das Jugendamt und der Kindernotdienst prüften derzeit die geistige und körperliche Verfassung der Kinder, um für jedes einzelne die beste Lösung zu finden.

Der Fund der Kinder in Lichtenberg ist bereits der dritte bekannt gewordene Fall von Verwahrlosung innerhalb weniger Wochen. Erst vergangenen Donnerstag hatten Polizeibeamte in einer ungeheizten und stark verdreckten Wohnung in Reinickendorf ein elfjähriges Mädchen gefunden, das seit einem halben Jahr nicht mehr zur Schule gegangen war. Ende November waren in Spandau zwei Jungen im Alter von drei und sieben Jahren entdeckt worden, die in einem abgedunkelten, kotverschmierten Zimmer gehaust hatten. Bei dem älteren der beiden waren erhebliche Entwicklungsrückstände festgestellt worden.müh

-

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false