zum Hauptinhalt
Ein Bild aus dem Flüchtlingsheim der Stadtmission in Moabit.

© Doris Spiekermann-Klaas

Verwaltungschaos und fehlende Bezahlung: Stadtmission stand kurz vor Aufgabe von Flüchtlingsunterkunft

Die Betreiber von Flüchtlingsunterkünften werden vom Land Berlin nicht prompt und pünktlich bezahlt. Welche Probleme das bereitet, schildert der Direktor der Berliner Stadtmission.

Das Chaos im Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) hat Betreiber von Flüchtlingsunterkünften an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit gebracht. „Wir haben uns ernsthaft gefragt, ob wir unsere Arbeit unter solchen Bedingungen noch verantworten können“, sagte der Direktor der Berliner Stadtmission, Joachim Lenz, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wie auch andere Sozialverbände habe die Stadtmission monatelang auf Abschlagszahlungen warten müssen.
Dringend notwendige Einrichtungen wie Toiletten oder eine Essensausgabe hätten sich um Wochen verzögert, berichtete Lenz. „Wir haben ja viele Menschen neu eingestellt und müssen die bezahlen.“ Auch die Kostenerstattung für Lebensmittel, Babynahrung und Wachschutz für November sei erst nach Weihnachten erfolgt. „Ich kann schlicht nicht verstehen, wieso die Zusammenarbeit da nicht funktioniert“, beklagte der Chef der evangelischen Hilfsorganisation.
Die Berliner Stadtmission betreibt mehrere Notunterkünfte für Flüchtlinge. Dazu zählt eine Traglufthalle mit knapp 300 Betten, in der inzwischen mehr als 20.000 Menschen ihre ersten Tage und Nächte in Berlin verbracht haben. Der Bezirk Mitte hat dieses Projekt mit seinem Integrationspreis ausgezeichnet. Eine Notunterkunft in Spandau für 1.000 Menschen soll ausgebaut werden.
Nach einer Massenschlägerei vor einigen Wochen hat die Stadtmission Konsequenzen gezogen und einen Ältestenrat installiert. „Probleme werden mit den Volksgruppen besprochen und geregelt“, betonte Lenz. So könnten Schwierigkeiten früh wahrgenommen und beigelegt werden. Außerdem habe die Stadtmission einen Brandbrief an den zuständigen Sozialsenator, Mario Czaja (CDU), und Berlins Regierenden Bürgermeister, Michael Müller (SPD), geschickt und den Ausbau der Unterkunft gefordert.
Der Theologe wies auf die Ursachen für Aggressionen in Unterkünften hin: „Wenn tausend Menschen monatelang in einer einzigen Halle zusammen leben müssen, ohne dass es eine Privatsphäre oder auch nur einen Kleiderschrank oder eine ausreichende Anzahl von Toiletten gibt, bauen sich über die Wochen Frust und Wut auf.“ Das führe bei einigen zum Gefühl der Benachteiligung. „Schließlich reichte irgendein Anlass zum Streit“, sagte Lenz. „Gott sei Dank ist niemand ernsthaft verletzt worden.“
In ihrem Zentrum in Nähe des Hauptbahnhofes betreibt die Berliner Stadtmission bereits seit fünf Jahren zwei Wohnheime für insgesamt 130 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge. Zudem wurde im Juli im Bezirk Neukölln das „Sharehaus Refugio“ eingerichtet. „Da teilen und gestalten Geflüchtete, Studenten, Künstler und eine Gemeinschaft 'altdeutscher' Gastgeber gemeinsam ihr Leben“, betonte der Stadtmissionsdirektor. Flüchtlinge sollen dort über ein Jahr lang die Möglichkeit haben, die deutsche Sprache zu lernen und Freunde zu finden. „Dann, glauben wir, wird Integration gelingen“, so Lenz.

Der 54-jährige Pfarrer, der am 1. Januar 2015 seine Tätigkeit aufgenommen hat, zog eine gemischte Bilanz des ersten Jahres. Als positives Beispiel nannte er die Einrichtung des Hygienecenters am Bahnhof Zoo, wo seine Organisation die Bahnhofsmission betreibt. „Obdachlose Menschen können jetzt kostenlos duschen, zur Toilette gehen oder sich die Haare schneiden lassen“, sagte Lenz. In Berlin sei etwas deutlicher als anderswo zu spüren, „dass hier mit Kirche oder Christentum nicht automatisch ein Bonus verbunden ist“, so Lenz, der zuvor im Kollegium des Deutschen Evangelischen Kirchentags gearbeitet hat. Zumeist erlebe er das jedoch anders: „Gott ist unterwegs in dieser Stadt, da habe ich überhaupt keine Bedenken." epd

Zur Startseite