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Berlin: Verwaltungsreform: An der Reizschwelle (Kommentar)

Kaum ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky sind in die Ferien gereist, und schon hopsen Landowskys Stallwachen ausgelassen über die Fraktionsbänke.

Kaum ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky sind in die Ferien gereist, und schon hopsen Landowskys Stallwachen ausgelassen über die Fraktionsbänke. Sie haben freie Bahn, denn auch die Spitzenkollegen von der SPD geben sich der Kunst des Müßigganges hin. Doch halt: Das inszenierte Sommertheater kann durchaus Wirkung entfalten. Die CDU-Aktivisten haben mit ihrer Forderung, den vor sieben Monaten verkleinerten Senat von Berlin wieder zu vergrößern, einen neuralgischen Punkt der Großen Koalition erwischt.

Die CDU verlangt aus gutem Grund jetzt keine große Senatsumbildung. Das wäre nicht nur politisch riskant, sondern auch schlicht unmöglich. Nach der Berliner Verfassung besteht der Senat aus dem Regierenden Bürgermeister und höchstens acht Senatoren. Früher waren es mehr, in der letzten Wahlperiode wurde die Verfassung eigens von der Großen Koalition geändert. Das hatte mit der Bezirksgebietsreform zu tun, also mit der Verkleinerung der Zahl der Bezirke von 23 auf zwölf durch Zusammenlegungen. Personalabbau großen Stils im öffentlichen Dienst, weniger Bezirksbürgermeister und Stadträte - der Senat sollte mit gutem Sparbeispiel vorangehen. Der kleine Partner SPD war die treibende Kraft. Diepgen und die CDU ließen sich ziehen, waren aber vom Sinn der Senatsverkleinerung nicht überzeugt.

Die Senatsverkleinerung hat ja auch ihre Tücken. Fast alle Senatoren haben Mammutressorts. Die Kostenersparnis liegt auch nicht auf der Hand, denn man musste sich naturgemäß mehr Staatssekretäre zulegen. Obendrein spielte bei der Senatsbildung nach der Berliner Wahl der Koalitionsproporz eine enervierende Rolle. Die CDU wollte sechs der neun Senatsmitglieder stellen, die SPD fand drei unter ihrer Würde. Also einigte man sich auf acht im gefälligeren Verhältnis 5 : 3. Dafür übernahm Diepgen zusätzlich das Justizressort, was ihm wiederum Protest aus der Justiz selbst einbrachte. Schon bald nach der Senatswahl meinte er denn auch, man müsse nach einer gewissen Zeit im Lichte der Entwicklung eine abermalige Verfassungsänderung prüfen.

Dies alles wärmt die CDU nun auf und treibt damit die SPD in die Defensive. Wir hören doch immer dasselbe Lied: Der Senat bekundet Eintracht, in der Koalition gärt es. Diese Große Koalition ist schon so lange labil, wie sie existiert, seit Anfang 1991. Natürlich wird sie auch bis zur nächsten Wahl 2004 halten. Doch hinter dem Sommertheater steckt womöglich die Absicht, den Boden zu lockern, um ihn für ein anderes Regierungsbündnis 2004 zu bereiten. Die SPD träumt von Rot-Grün, notfalls Rot-Grün-Rot. In der Union träumen zumindest die Jüngeren von Schwarz-Grün. Die CDU hat keine Lust, sich von einer linken Mehrheit in der Stadt in die Opposition drängen zu lassen. Und den Grünen kann eine zweifache Umwerbung nur recht sein. Strategische Gedankenspiele sind nicht verboten. Alle Parteien tun das. Man kann dies auch an vermeintlich harmlosen Beispielen zeigen.

Diepgen und Landowsky mögen nicht begeistert von der Aktion ihrer Wächter sein, aber sie können auch nichts dagegen haben. Man darf gespannt sein, ob der Vorstoß im Herbst ein heißes Thema wird - und welche Verbindungslinien zwischen den Fraktionen sich dabei herauskristallisieren.

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